Appelle zum Weltmilchtag
„Die heimische Milchwirtschaft steht für eine gesicherte Versorgung mit hochqualitativen Produkten, Ernährungssouveränität ist ein wichtiges nationales Anliegen, das wir gerne gewährleisten“, erklärte heute der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), Helmut Petschar, bei einer Pressekonferenz der AMA anlässlich des Weltmilchtages am 1. Juni.
„Eine gesicherte Eigenversorgung auch in Krisenzeiten kann nur dann gelingen, wenn diese erwünschten Qualitäten auch in normalen Zeiten gekauft und dafür Preise bezahlt werden, welche die erhöhten Qualitätsanforderungen abgelten und allen Beteiligten der Wertschöpfungskette ein entsprechendes Einkommen ermöglichen. Hier ist besonders der heimische Lebensmittelhandel gefordert“, unterstrich Petschar.
Die Corona-Krise hat auch in der österreichischen Milchwirtschaft Schäden verursacht. Der abrupte Ausfall des Gastronomie- und Tourismussektors, der bisher für 26% des Absatzes stand, hat je nach Kundenausrichtung für Molkereien Ausfälle in unterschiedlichem Ausmaß gebracht, die durch Mehrabsätze über den Lebensmitteleinzelhandel nicht immer ausgeglichen werden konnten. Außerdem kam es zum Teil zu Beeinträchtigungen im Export. Mehrere Molkereien haben daher mit ihren Bauern Programme für Produktionseinschränkungen entwickelt. Die Kärntnermilch, deren Geschäftsführer Petschar ist, konnte mithilfe der mit den Lieferanten vereinbarten Mengenreduzierung den Erzeugermilchpreis stabil halten.
„Für unsere Milchwirtschaft sind jetzt politische Hilfsmaßnahmen in Österreich und auf EU-Ebene notwendig, um weitere Marktverwerfungen zu verhindern. Neben der Privaten Lagerhaltung sollte auch das Instrument der freiwilligen Lieferrücknahme unterstützt werden. Zusätzlich gilt es, in der Ausgestaltung der kommenden Gemeinsamen EU-Agrarpolitik darauf zu achten, dass mit dem Green Deal und der ‚Farm to Fork‘-Strategie passende Rahmenbedingungen für eine positive Weiterentwicklung einer nachhaltigen und qualitätsorientierten Milchwirtschaft, besonders auch in Berggebieten erreicht werden“, betonte Petschar.
Österreich gilt als Milchland mit einer großen Tradition und ist international für seine hohen Produktionsstandards bekannt. Die Qualitätsstrategie der heimischen Milchwirtschaft umfasst Gentechnikfreiheit, den Verzicht auf bedenkliche Pflanzenschutzmittel, den Verzicht auf Soja aus Übersee und auf Palmöl im Futter als Beitrag zur Rettung des Klimas. Die Branche setzt auf die EU-weit besten Klimaschutzwerte, durchgängige Qualitätssicherungsprogramme, wie das AMA Gütesiegel, hohe Tierwohlstandards, die Milchproduktion auf kleinen und mittleren Familienbetrieben, eine große Produktvielfalt mit vielen regionalen und Spezialprodukten wie Heumilch oder Biowiesenmilch.
„Die österreichische Milchwirtschaft steht nicht nur für die Produktion hochwertiger Lebensmittel, die Milchbauern sorgen auch für den Erhalt des Grünlandes, vor allem im Berg- und benachteiligten Gebiet und sichern damit eine gepflegte, lebendige sowie ansprechende Kulturlandschaft als Basis für den Tourismus. Die Milchwirtschaft prägt viele Fremdenverkehrsgebiete und produziert unter schwierigen Bedingungen bis hinauf auf die Almen hochwertige Produkte.
„Auch wenn es heuer am Weltmilchtag keine großen Veranstaltungen und Aktionen gibt, so soll doch an diesem Tag das Produkt Milch und die damit verbundene Arbeit der Bäuerinnen und Bauern hervorgehoben werden“, unterstrich Oberösterreichs LK-Präsidentin Michaela Langer-Weninger.
„Leider propagieren einige Lebensmittelhändler jetzt Aktionen mit ausländischer Ware und Dumpingpreisen, etwa bei Butter. Die Milchbauern trifft darüber hinaus auch das schlechte Preisniveau bei Rindfleisch. Wir fordern ganz klar vom Handel ein, das Bekenntnis zu heimischen Qualitätsprodukten unter Beweis zu stellen“, so die LK-Präsidentin. Zu hoffen sei, dass die Öffnung der Gastronomie den Absatz positiv beeinflusst. Gerade jetzt wäre auch eine Herkunftskennzeichnung von besonderer Wichtigkeit. Auch der eingeschränkte Tourismus treffe die Land- und Milchwirtschaft, beschrieb Langer-Weninger die Gesamtsituation.
„Der österreichische Konsument hat die Wahl, aus einer breiten Palette an verschiedensten Milchsorten zu wählen. Für die Bauern bedeuten diese neuen Sorten vor allem viele Auflagen einhalten zu müssen, neue Produktionsverfahren zu entwickeln und spezielle Wirtschaftsweisen zu beachten. Das erhöht die Produktionskosten. Außerdem werden zusätzliche Kontrollen erforderlich, die ebenfalls in der Kalkulation zu berücksichtigen sind. Auch die Sammlung und Verarbeitung werden durch die Differenzierung teurer“, erläuterte die Präsidentin. „Eines muss aber klar sein: Auflagen, die über dem gesetzlichen Standard liegen, brauchen Anreize über höhere Erlöse und Zuschläge“, gab Langer-Weninger zu bedenken.
Harald Pollak, Wirt im Retzbacherhof (NÖ) und Teilnehmer am AMA-Gastrosiegel, erklärte dazu, sein Betrieb setze seit Jahren auf regionale Produkte – auch im Milchbereich – und mache sehr gute Erfahrungen damit. Die Gäste würden das sehr schätzen. Das Gefeilsche um Zehntel-Cent-Beträge beim Milchpreis könne er nicht verstehen, wenn man den enormen Mehrwert dieses hochqualitativen Produkts betrachte.
Die Zahl der bäuerlichen Milchlieferanten ist im Jahr 2019 in Österreich um 3,7% auf 25.608 gesunken, während der Milchkuhbestand um 1,7% auf 524.068 Tiere verringert wurde. Die Molkereianlieferung lag im Schnitt bei rund 132.000 kg pro Betrieb und Jahr. Insgesamt wurden 3,11 Mio. t Rohmilch von den heimischen Molkereien und Käsereien zur Weiterverarbeitung übernommen.
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