Selbst toasten und mischen
Die exorbitant gestiegenen Preise für Soja setzen Tierhalter gewaltig unter Druck. Ein Ende der Hausse ist angesichts des Krieges in der Ukraine nicht abzusehen. Mehr regionales Eiweiß könnte den Markt aber berechenbarer machen und Abhängigkeiten reduzieren.
Franz Tatschl ist ein absoluter Profi in der Eierproduktion: Sein Betrieb in St. Paul im Lavanttal ist der größte Legehennenhalter Kärntens, auf letztem Stand der Technik und wirtschaftlich in allen Bereichen so weit als möglich optimiert, wie der Agrarunternehmer beim Besuch von BLICK INS LAND unterstreicht. „Und doch können wir mit den knapp neun Cent, die für Bodenhaltungseier derzeit bezahlt werden, keinen Gewinn machen.“ Zu schwer lasten die galoppierenden Kosten für Betriebsmittel aktuell auf der Kalkulation. Dabei hat Tatschl noch Glück im Unglück: Er stellt 85 Prozent des Futters für seine 85.000 Legehennen selbst her. Auf den 210 Hektar Nutzfläche baut unter anderem Mais an, aus dem Ganzkornsilage gemacht wird, was Trocknungskosten spart. Von seinen Flächen und jenen von Vertragsbauern und dem Landhandel aus der Region kommen auch 1.200 Tonnen regionales Soja. Dieses wird am Hof getoastet und gepresst. „Dadurch haben wir die Ausgaben für das Futter einigermaßen im Griff. Wer momentan Mischfutter zukaufen muss, ist richtig arm“, meint der Lavanttaler.
Das bestätigt auch sein Spartenkollege Gerold Sterrer, der Obmann-Stellvertreter des Geflügel-Verbandes Oberösterreich: „Die Rohstoffsituation wird aufgrund der Exportbeschränkungen einiger osteuropäischer Nachbarländer zunehmend schwieriger. Agrarhändler wissen zurzeit nicht, ob sie abgeschlossene Kontrakte bei Soja auch erfüllen können.“ Wenn der Krieg in der Ukraine dazu führe, dass dort jetzt nicht gesät werden kann, wird die Versorgung mit Soja aus dem Donauraum schwierig, fürchtet er. Auf dieses ist der Sektor angewiesen, seit man sich 2013 in einer Branchenvereinbarung der gentechnikfreien Fütterung verschrieben hat. Zwar ist der Verein Donau Soja, der die sich die nachhaltige Proteinversorgung Europas auf die Fahnen geschrieben hat, um Beruhigung bemüht. Bis zur Ernte 2022 sei die Versorgung gesichert und die Anbaufläche in Europa dürfte um zehn bis 15 Prozent steigen. Zudem werden Stilllegungsflächen zum Anbau freigegeben. Aber auch der Preis spielt eine Rolle. „Aktuell ist es für Legehennenhalter mit Ackerbau finanziell günstiger, keine neuen Tiere mehr einzustallen und sich auf den Verkauf von Ackerfrüchten zu konzentrieren“, warnt Sterrer vor einem Engpass im Sommer, wenn die Eierpreise vom Handel nicht bald spürbar angehoben werden.
Die aktuelle Krise könnte auch an bisherigen Selbstverständlichkeiten rütteln. „Die immer abstruseren Preise werden bei vielen Bauern einen Denkprozess einleiten, ob es nicht gescheiter wäre, sich das Futter selbst zu mischen und eigenes Soja zu verwenden statt vom Weltmarkt abhängig zu sein“, sagt Josef Neubauer. Der Innviertler befasst sich mit seiner Firma EST seit langem mit der Toastung von Sojabohnen und hat kleine Anlagen entwickelt, mit denen die Bohnen direkt am Hof, mit mobilen Anhängern oder bei regionalen Landesproduktenhändlern so aufbereitet werden können, dass sie für die Tiere verträglich sind. Eine davon läuft bei der Familie Tatschl in St. Paul. Dort werden praktisch rund um die Uhr stündlich 200 Kilo geröstet, anschließend gepresst und in die Hühnerhallen weitergeschickt. So werden die Trypsininhibatoren, die eine Verfütterung von unbehandelten Bohnen unmöglich machen, weil sie für die Tiere unverträglich sind, abgebaut. Neubauer hebt hervor, dass mit seinem System speziell auf die Anforderungen der Herde eingegangen werden kann: „Für standardisiertes Mischfutter wird immer so weit getoastet, dass es für alle Tierarten absolut sicher funktioniert. Bei zu viel Hitze geht aber wertvolles Eiweiß verloren“, erklärt der Entwickler. Durch das gezielte Toasten sei es möglich, mehr Tiere pro Hektar zu füttern.
„Unser Eiweiß hat nicht 10.000 Kilometer von Brasilien her auf dem Buckel, sondern kommt direkt aus dem Lavanttal“, ist Franz Tatschl von der grundsätzlichen Richtigkeit der Entscheidung für europäischen Rohstoff überzeugt. Ein zusätzliches Argument für die Bearbeitung am eigenen Betrieb ist für ihn auch die gleichbleibend hohe Qualität, die er bei zugekauftem Mischfutter nie erreicht habe. „Letztendlich bleibt uns nach der Pressung auch noch hochwertiges Sojaöl über, das wir bei unseren Legehennen einsetzen oder zu guten Preisen verkaufen können“, meint Tatschl. Wie es im Herbst weitergehen wird, weiß er nicht. „Obwohl es noch keinen Preis gibt, sichern wir uns derzeit die Mengen, um die Ware zumindest da zu haben.“
Auch Gerold Sterrer mischt das Futter für seinen Betrieb selbst, lässt das Soja aber bei einem Partner toasten: „Das Risiko, dass dabei etwas schief geht, darf man nicht unterschätzen. Außerdem braucht man eine gewisse Betriebsgröße, damit sich die Investition auszahlt.“ Bei EST geht man von etwa 33.000 Euro für eine kleine Anlage aus. Interessensvertreter Sterrer glaubt, dass nur zwanzig bis dreißig Prozent der oberösterreichischen Kollegen selbst mischen. Dazu kommt noch, dass viele Legehennenhalter eine nicht ausreichende Flächenausstattung haben und ihre Felder bereits für Mais und Getreide, das sie ebenfalls als Futter brauchen, reserviert sind. „Es wäre aber sicher ein Auftrag an die Genossenschaften und Landesproduktenhändler, solche Ölmühlen zu installieren, um die heimische Ernte besser verwertbar zu machen und regionale Kreisläufe zu schaffen.“ Auch Lohnunternehmer könnten hier eine Nische finden.
Josef Neubauer denkt angesichts der Futterkrise über die Hühnerbauern, die bisher seine Hauptkunden waren, hinaus. „Wenn der Anbau von Soja weiter zunimmt und wir etwas weniger intensiv füttern und dafür in Kauf nehmen, dass die Tiere etwas weniger schnell wachsen, können wir die Hälfte des heimischen Sojabedarfs selber decken“, ist er überzeugt. Er meint, dass der Presskuchen sogar bei Schweinen funktioniert, bei denen man ja ebenso schrittweise aus gentechnisch verändertem Eiweiß aus Übersee aussteigen will. Mit Donau Soja könnte man von der Mengenverfügbarkeit grundsätzlich jedes zweite heimische Schwein füttern, pflichtet der Geschäftsführer der Styriabrid, Raimund Tschiggerl, auf Nachfrage von BLICK INS LAND bei. Unterschiedlicher Meinung ist er aber beim hohen Fettgehalt im Presskuchen: „Die Einsatzmöglichkeiten von hofeigenem Soja sind aber begrenzt, weil sonst die Qualität leidet.“ Zudem sei herkömmlicher Extraktionsschrot immer noch günstiger zu haben als regionale Sojabohnen. Die entscheidende Frage lautet aber ohnehin ähnlich wie bei den Hennen: „Wir Schweinebauern machen vieles gerne. Letztendlich muss es vom Markt aber auch abgegolten werden.“
sojatoaster.com
STEFAN NIMMERVOLL
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