Patentverbot bei Saatgut eine Luftnummer?

Ein verstörendes Bild zeichnet der vom Bündnis “No Patents on Seeds!” veröffentlichte Bericht „Patente auf unsere Nahrungspflanzen stoppen!“. Obwohl bereits seit Juli 2017 Pflanzen, die ohne gentechnische Methoden gezüchtet wurden, in Europa prinzipiell von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, wurden allein letztes Jahr 80 Patente auf herkömmlich gezüchtete Pflanzen beantragt. „Pflanzen sind keine Erfindungen, die patentiert werden dürfen“, erklärt Katherine Dolan, Expertin für Saatgutpolitik bei Arche Noah und Vorstandsmitglied von „No Patents on Seeds!“.

Im vorliegenden Bericht wurden Patentanträge an die WIPO (Weltorganisation für geistiges Eigentum) aus dem Jahr 2020 unter die Lupe genommen – unter anderem Patente auf Gurken, Tomaten, Brokkoli, Weizen, Sojabohnen und Melonen. Die Anträge kamen von Saatgutkonzernen wie BASF, KWS und Corteva (vormals DowDupont). „Die Patentierung verschafft globalen Konzernen Monopolrechte auf die Grundlagen unserer Lebensmittel. Wenn es so weitergeht, werden bald nur wenige Konzerne bestimmen, was wir anbauen, kaufen und letztendlich essen dürfen und zu welchem Preis“ stellt Katherine Dolan klar.

Laut „No Patents on Seeds!“ umgehen die AntragstellerInnen das 2017 beschlossene Verbot von Patenten auf Pflanzen, die aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ resultieren, mit einer neuen Strategie: Sie verwischen die Grenzen zwischen herkömmlicher Züchtung und Gentechnik. In 90% der analysierten Anträge werden sowohl gentechnische als auch konventionelle Züchtungsverfahren beschreiben. Damit wird der Anschein erweckt, dass die Pflanzen „Erfindungen“ wären. Tatsächlich wurde bei nur 10% der Fälle das erwünschte Merkmal tatsächliche durch gentechnische Verfahren in die Pflanze eingeführt.

Schuld daran ist fehlende Klarheit im Patentrecht: Das Europäische Patentamt, das sich über die Prüfung und Erteilung von Patenten finanziert, behandelt zufällige Mutationen in einer Pflanze gleichwertig wie durch Gentechnik erzeugte Mutationen. Globale Saatgutkonzerne nutzen diese fehlende rechtliche Klarheit aus. „Es ist Aufgabe der Politik, für klare Regeln zur Einhaltung bestehender Verbote zu sorgen. Wir fordern seit 2017 von der Politik, dass sie die Schlupflöcher im Patentrecht schließt, damit Patente auf herkömmliche Pflanzen nicht mehr vergeben werden können“, sagt Dolan. Zuständig ist der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamts, Österreich ist durch Ministerin Leonore Gewessler vertreten.

Im vergangenen Jahrzehnt wurden jährlich rund 100 Anträge auf herkömmliche Pflanzen gestellt, wovon bis zu 50% bewilligt wurden. 200 dieser Patente wurden bereits erteilt, mit allen negativen Folgen: „Die PatentinhaberInnen können den Zugang zur Pflanze verwehren,“ betont Katherine Dolan von Arche Noah. „Die Entwicklung neuer Pflanzensorten, die etwa gegen Krankheiten oder Hitze besonders resistent sind, wird erschwert“. Benachteiligt sind vor allem mittelständische Saatgutunternehmen, auch in Österreich, die über keine großen juristischen Abteilungen verfügen. Ein einziges Patent, das sich nur auf ein einziges Merkmal bezieht, kann über 100 Pflanzensorten sperren. „Der Zugang zu den Grundlagen unserer Lebensmittel muss frei bleiben“, fordert Dolan.
Zum Bericht: https://www.no-patents-on-seeds.org/de/hintergrund/publikationen

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