Keine Angst vor der Renaturierung

BARBARA RIEGLER ist seit Anfang Mai neue Obfrau des Verbandes Bio Austria. STEFAN NIMMERVOLL hat mit ihr über die zahlreichen Themen, die den Sektor umtreiben, gesprochen.
Wie werden sie ihr Amt anlegen?

Es sind drei Seiten, auf denen ich aktiv sein werde: Einerseits in der Kommunikation zu den Biobäuerinnen und Biobauern, die mir besonders wichtig ist und die ich stärken möchte. Gleichzeitig natürlich die Kommunikation zu den Konsumenten, um die Vorzüge der Bio-Landwirtschaft zu transportieren. Und drittens ist die Agrarpolitik ein wesentlicher Bereich, wo es die Interessen der Biobäuerinnen zu vertreten gilt.

Was sind denn die drängendsten politischen Themen?

Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass junge Leute in den Fachschulen fundierter in der biologischen Wirtschaftsweise ausgebildet werden sollen. Hier gäbe es eine Chance, das bei der geplanten Änderung des Land- und Forstwirtschaftlichen Ausbildungsgesetzes zu verbessern. Ein anderes sehr wichtiges Thema für die Bio-Landwirtschaft ist die Gemeinschaftsverpflegung. Um den Inlandsmarkt zu stärken, muss Bio in der öffentlichen Beschaffung stärker berücksichtig werden. Wichtige Themen auf EU-Ebene sind die Gentechnikgesetzgebung und die Umsetzung des Green Deal, etwa mit der Pflanzenschutzmittel-Reduktions-Verordnung oder dem Renaturierungsgesetz.

Die heimische Landwirtschaftsvertretung kämpft gerade mit allen Mitteln gegen das Renaturierungsgesetz, mit dem Flächen in den natürlichen Zustand zurückversetzt werden sollen. Wie steht denn Bio Austria dazu?

Wir Bauern sollten keine Angst vor dem Gesetz und der Umsetzung des Green Deal, sondern vor den immer schlimmeren Auswirkungen des Klimawandels haben. Wir sind der Berufsstand, der am meisten betroffen ist. Die Versorgungssicherheit gegen die Klimakrise auszuspielen ist nicht richtig. Es ist wichtig, Landwirtschaft und Umwelt unter einen Hut zu bringen. In der Biolandwirtschaft leben wir das schon seit vielen seit vielen Jahrzehnten.

Hat Bio Austria eine offizielle Linie zum Thema Beutegreifer?

Wir bekennen uns zum Ziel, Landwirtschaft und Artenschutz bestmöglich zu vereinbaren. Die Rückkehr der großen Beutegreifer erfordert Maßnahmen zum Schutz von Bauern und Tieren. Für uns ist klar, dass die Verantwortung für Maßnahmen bei der Politik und den Behörden liegt. Das darf man nicht auf die Bauern abladen. Biobauern sind verpflichtet, Tiere auf der Weide zu halten. Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass das einwandfrei möglich ist.

Goutieren es die Mitglieder aus den alpinen Bereichen, wenn der Obmann des niederösterreichischen Landesverbandes sehr offensiv für Herdenschutz eintritt?

Ich verstehe, dass das manche kritisch sehen. Tatsächlich ist Herdenschutz nicht in allen Regionen möglich. In vielen Regionen Niederösterreichs oder bei mir daheim im Mühlviertel schon. Es braucht ein Bündel an Maßnahmen, um die Situation in den Griff zu bekommen, damit die Bauern ihre Weidevorgaben erfüllen können. Und die müssen praktisch umsetzbar sein. Klar ist, dass die Bauern für Maßnahmen nicht finanziell aufzukommen haben und sie bei Verlust kostendeckend entschädigt werden müssen.

Wie technikaffin darf und muss denn die biologische Landwirtschaft werden?

Wenn ich an meinen eigenen Mann denke, dann kann man nicht sagen, dass Biobauern nicht technikaffin sind (lacht).

Gilt die Technikaffinität auch für moderne Züchtungsmethoden?

Wir sind Innovationen bei der Weiterentwicklung von Sorten gegenüber aufgeschlossen, aber natürlich ohne Gentechnik.

Ist CRISPr/CAS als solche Gentechnik abzulehnen?

Es ist ein mächtiges Instrument zur Manipulation der Erbsubstanz. In dem Sinn ist die Antwort klar. Auch der Europäische Gerichtshof sieht es als Gentechnik.

Es gibt auch Bio-Experten, die die Zukunft in einer Kombination aus Gentechnik und Bio sehen.

Die Ergebnisse, die von Gentechnik-Lobbyisten vor 25 Jahren versprochen wurden, sind nie eingetreten. Schon damals hat man klimaangepasste Pflanzen versprochen. Stattdessen haben sich Resistenzen gebildet und man braucht mehr Pestizide als zuvor. Was jedenfalls nicht sein kann, ist, dass Neue Gentechniken keine verpflichtende Risikobewertung, keine Kennzeichnung und keine Rückverfolgbarkeit benötigen, wie es die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Damit wäre die Entscheidungsfreiheit für Bauern und Konsumenten dahin. Dann reiben sich die Konzerne die Hände, die Bauern geraten aber in noch stärkere Abhängigkeit!

Es wird über die Sicherung der Versorgung geredet. Trägt Bio in ausreichendem Maße dazu bei?

Solange wir in Österreich jeden Tag 12 Hektar versiegeln, ein Drittel der Lebensmittel wegschmeißen und wahnsinnig viele Flächen in die Biogasproduktion hineinstecken, ist die Frage der Versorgungssicherheit mit Bio eine Themenverfehlung. Wenn gut biologisch gewirtschaftet wird, dann hat man auch gute Erträge, die sogar mit manch konventionellem Betrieb mithalten.

Manche meinen, dass eine extensive Produktion eigentlich einen größeren Fußabdruck hat, weil der Output pro Einheit geringer ist.

Man kann sich alles schönrechnen. Fakt ist, dass wir als biologische Landwirtschaft fast hundert Prozent Selbstversorgung mit bioregionalen Futtermitteln haben. Bei Hochleistungstieren wird dagegen Futter aus Übersee eingesetzt. Wenn man die gesteigerte Effizienz in Gegensatz zum Transport und zur massiven Landrodung für den Anbau setzt, geht die Rechnung nicht mehr auf.

Sie halten selber Nutztiere. Muss man als Bauer ein schlechtes Gewissen haben, weil man damit zum Klimawandel beiträgt?

Überhaupt nicht. Für uns ist der geschlossene Kreislauf Grundlage unseres Wirtschaftens. Wir erzeugen unseren eigenen Dünger in einem Ausmaß, das erträglich ist. Wir setzen kaum Kraftfutter ein und haben minimale Transportwege. Durch den Mist habe ich gute Erträge. Ich bin kein Klimakiller. Ich bin sogar davon überzeugt, dass ich sehr klimafreundlich produziere.

Teilen sie die Ansicht, dass der Fleischkonsum reduziert werden muss?

Eine vollwertige Ernährung, die saisonale und regionale Produkte beinhaltet, ist wichtig. Fleisch gehört da genauso dazu wie Getreide, Obst, Gemüse und Milch. Es ist aber aus gesundheitlicher und ökologischer Sicht unstrittig, dass nicht ganz so viel Fleisch, dafür aber dann aus bester Bio-Produktion zu essen besser wäre.

Gerade Premiumprogramme, zum Beispiel im Bereich Tierwohl, geraten angesichts der aktuellen Inflation unter Druck. Wie stellt sich die Situation bei Bio dar?

Die RollAMA-Daten zeigen uns, dass der Bio-Kunde ein treuer Kunde ist. Die Zahlen im Bio-Absatz sind relativ stabil geblieben. In der Direktvermarktung ist aber auch bei Biobauern im Durchschnitt ein Rückgang zu verzeichnen. Das merken wir auch selber bei uns am Hof. Man muss aber sagen, dass wir zuvor durch Corona sehr verwöhnt waren. Das hat sich wieder eingependelt.

Welche Rolle spielen da die Preise?

Der Preis spielt für Konsumenten immer eine Rolle, das ist klar. Dass die Lebensmittel aber immer als Preistreiber dargestellt werden, Mieten, Energie und Treibstoffe, die exorbitant gestiegen sind, aber viel weniger, ärgert mich massiv.

Das Preisdelta zu konventioneller Ware ist geringer geworden. Ist das gut oder schlecht?

Der Verkaufspreis im Supermarkt ist das eine, der Erzeugerpreis das andere. Entscheidend ist, welchen Preis der Bauer bekommt. Bio-Lebensmittel sind im Handel deutlich weniger teurer geworden. Das spricht für Bio, weil der Konsument damit Krisensicherheit und Versorgungssicherheit verbindet. In der konventionellen Landwirtschaft haben sich dagegen Preisexplosionen bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln extrem ausgewirkt. Klar ist aber: Biobauern müssen ihren Mehraufwand abgegolten bekommen.

Muss Bio für jedermann leistbar sein?

Bio ist doch kein Luxusartikel, das ist ein längst überholtes Vorurteil. Wenn man sich ausgewogen ernährt und die Grundnahrungsmittel kauft und selber kocht, braucht man auch beim Griff zu Bio nicht mehr Geld als für Convenience und Functional Food.

Gerade Bioprodukte werden im Handel oft als Eigenmarken verkauft.  

Ja, Bio ist eben seit Jahren das am stärksten wachsende Segment im Lebensmittelbereich. Da wollen viele mitverdienen, auch der Handel, das ist nicht überraschend. In Österreich gibt es die Bio-Eigenmarken schon seit den 1990ern. Wichtig ist, dass die Qualitätsrohstoffe unserer Biohöfe verwendet werden. Ich finde es auch gut, dass der Bio-Anteil bei den Diskontern gestiegen ist. Es ist wichtig, dass auch dort Kunden Bioprodukte angeboten werden. Das sichert den Absatz.

Ist man damit nicht längts in denselben Marktmechanismen gefangen, die man beim Konventionellen lange kritisiert hat?

Bio ist kein Gegenprogramm zum freien Markt. Für uns als Verband geht es darum, die hohe Bio Austria Verbandsqualität unserer Mitgliedsbetriebe am Markt bestmöglich zu verankern. Verbandsqualität ist ein wichtiger Hebel, um sich zu unterscheiden und am Markt zu behaupten. Die bekannten Rahmenbedingungen, wie die hohe Konzentration im Handel kann Bio nicht ausschalten.

Wir wirkt sich der Konflikt rund um ukrainisches Getreide auf die Biolandwirtschaft aus?

In Österreich selbst ist ukrainisches Bio-Getreide kein Thema. Wir haben unsere herkunftsgesicherte Bio Austria-Qualität. Aber das Getreide, das auf unsere Exportmärkte gelangt, merken wir natürlich schon. Das drückt den Absatz und bei uns bleibt mehr auf Lager.

Biogetreide hat zeitweise weniger gekostet als konventionelles. Wird man da die Betriebe bei der Stange halten können?

Am Markt gibt es oft Verwerfungen, durch den Krieg waren sie zeitweise sehr extrem. Entscheidend für den Bauern ist der Erlös im Vergleich zu den Produktionskosten. Als Verband versuchen wir etwa beim Futtergetreide im Bereich des Handels von Bio-Bauer zu Bio-Bauer unseren Teil zu einem ausgewogenen Preis beizutragen. Dafür setzen wir uns jedes Jahr vor der Ernte mit allen Beteiligten zusammen und verhandeln ein Preisband. Das soll dazu beitragen, den echten Preis, der in der Produktion notwendig ist, zu bezahlen.

Augenscheinlich sind einige Bauern unzufrieden. Immerhin hat es eine namhafte Anzahl von Rückumstellungen gegeben.

Ja, da muss man aber differenzieren. Insgesamt sind rund 700 Betriebe aus der biologischen Landwirtschaft ausgestiegen. Das waren vor allem Rinderhalter aus Westösterreich mit im Durchschnitt 13,5 Hektar. Das liegt an mehreren Faktoren: Die sehr strengen Vorgaben, der Markt, der gerade stagniert und die Unsicherheit, wie es weitergeht, sowie das ÖPUL. Die Biobauern müssen im aktuellen Programm in der Basismaßnahme deutlich mehr Auflagen für eine geringere Prämie erfüllen. Das ist weder für bestehende Biobauern motivierend, noch ein Anreiz für konventionelle Bauern umzustellen. Da wird es Nachbesserungen brauchen, vor allem wenn man die Zielvorgaben der Regierung den Biolandbau bis 2027 auf 30 Prozent zu steigern, erreichen will.

Müsste man nicht zum Schutz der bestehenden Betriebe sogar einen Aufnahmestopp dekretieren?

Es stellt ohnehin niemand um, wenn er befürchtet seine Produkte nicht vermarkten zu können. Das ist sowieso das Um und Auf. Klar ist: eine Entwicklung der Biobetriebe braucht auch eine gleichzeitige Entwicklung der Märkte. Daran gilt es stets gemeinsam mit der Politik zu arbeiten.

Barbara Riegler (43) kommt aus Bad Kreuzen im Mühlviertel. Sie hält 40 Mutterkühe und fünf Zuchtsauen, deren Ferkel ausgemästet werden. Auch Wildmasthendl und Leinöl werden direkt vermarktet. Am Betrieb wird auch Schule am Bauernhof angeboten. Riegler hat an der FH Wieselburg Produkt- und Projektmanagement im Lebensmittelbereich studiert.

 

 

 

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