Holzbau als Zugpferd der Energiewende

Der Geschäftsführer des Österreichischen Biomasseverbandes, CHRISTOPH PFEMETER, wurde jüngst zum Präsidenten der Bioenergy Europa gewählt. STEFAN NIMMERVOLL hat mit ihm über Chancen und Hindernisse beim Ausbau der Holznutzung gesprochen.

Das Ergebnis der Weltklimakonferenz in Sharm-el-Sheik wird allgemein als bescheiden eingestuft. War das Treffen für Sie eine Enttäuschung?

Es war nicht mehr zu erwarten. Es geht zwar Schritt für Schritt in die richtige Richtung, aber zu langsam. Es ist aber ohnehin ein Irrglaube, dass wir darauf warten können, dass die Weltklimakonferenz uns sagt, was zu tun ist. Dass wir raus aus Kohle, Öl und Gas müssen, ist sowieso klar. Jetzt muss jedes Land seine Energiewendeszenarien schnell anpacken.

Wie gut ist Österreich dabei?

Bei der Raum- und Fernwärme sind wir sehr weit. Und es gibt gute Konzepte, wie wir auf hundert Prozent erneuerbaren Strom kommen. Was fehlt, ist ein tatsächlicher Ausstiegsplan. Der Anteil an Erneuerbaren wäre noch viel höher, wenn wir den Verbrauch der Fossilen auf der anderen Seite reduziert hätten. Je schneller wir damit anfangen, desto wettbewerbsfähiger sind wir in den einzelnen Technologien. Dann profitieren wir auch davon, wenn es global wirklich losgeht.

Ungeteilt ist die Begeisterung für Bioenergie in Europa ja längst nicht. Holz könnte im Rahmen der RED III-Richtlinie als nicht mehr als erneuerbar gelten, Atomenergie dafür schon.

Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments wollte der Bioenergie komplett den Status der erneuerbaren Energie nehmen. Nun will das EU-Parlament die feste Biomasse aus dem Wald zumindest begrenzen. Gerade für Österreich als waldreiches Land ist das eine Katastrophe, weil die gesamten Nahwärme-Anlagen und die Brennholznutzung in diese primäre Biomasse fallen. Damit wäre die regionale Energieversorgung gefährdet.

Wie kommt man in Brüssel auf solche Ideen?

Die dortige Bürokratie formuliert immer sehr allgemeine Sätze. Eigentlich meint sie, dass kein hochwertiges Sägerundholz für die Energie verwendet werden soll. Um das auszuschließen, will man die primäre Biomasse insgesamt reduzieren. Niemand wird aber hochqualitatives Rundholz für Energie verwenden, wenn er auf einem anderen Markt sehr viel mehr bekommt.

Zuletzt wurde aber schon gemunkelt, dass auch bei uns ganze Bäume gehäckselt werden.

In der aktuellen Situation kann das sogar ökonomisch nachvollziehbar sein, weil die Märkte in der Energiekrise komplett verrückt gespielt haben. Für viele Baumarten, Baumteile und Holzqualitäten, die bei der Wertholzproduktion und Waldpflege anfallen, gibt es keine Abnehmer. Andererseits gibt es aufgrund der Energiekriese einen großen Bedarf an Brenn- und Energieholz.  Generell wird das aber in großem Rahmen niemals sinnvoll sein und sich auch nicht rechnen.

Die Forstwirtschaft in Österreich mag ja nachhaltig sein. In Polen und Rumänien soll es Schlägerungen in Nationalparks geben. Müsste man nicht zuerst diese Probleme in den Griff bekommen, bevor man großflächig auf die Umstellung auf Biomasse setzt?

Darauf hat die EU schon vor einigen Jahren mit RED II reagiert. Sobald sie Biomasse in einem Kraftwerk über 20 Megawatt einsetzten, brauchen sie ein Zertifikat. In Risikogebieten muss die Ware bis zur Quelle rückverfolgbar sein. Noch bevor RED II wirksam werden kann, wird nun aber schon über RED III verhandelt. Das sorgt für einen enormen Investitionsstau in ganz Europa, weil keiner weiß, was da jetzt beschlossen wird.

Trotzdem gibt es Berichte über Missstände in den genannten Ländern.

Viele dieser Anschuldigungen haben sich als Enten herausgestellt. Da wurden Windwürfe als Kahlschläge dargestellt oder Holzernten in Natura 2000-Gebieten kritisiert, in denen diese grundsätzlich erlaubt ist. Manche illegalen Rodungen werden auch von Dorfbewohnern durchgeführt, die damit verhindern, dass sie im Winter erfrieren. Dieses Holz geht nie in den Handel. Natürlich muss aber vermieden werden, dass eine fördergetriebene Technologie negative Auswirkungen hat. Wo das der Fall ist, muss man nachschärfen. Dafür brauchen wir prinzipiell starke Forstgesetze nach dem Vorbild Zentraleuropas.

Auf anderen Kontinenten ist die „Deforestation“ sehr wohl ein gewaltiges Problem. Wie kann man verhindern, dass bei entsprechender Nachfrage Pellets aus dem Regenwald verheizt werden?

Weniger als vier Prozent unserer Holzbiomasse werden importiert; traditionell vor allem in Regionen, die über keinen eigenen Wald verfügen, wie zum Beispiel Holland. Dort gibt es aber gerade in den größeren Kraftwerken sehr strenge Nachhaltigkeitskriterien mit Monitoring bis hin zur Ursprungsfläche.

Kann dieses Holz nicht aus Europa kommen?

Da darf man sich keinen Illusionen hingeben. Der Schiffsweg nach Rotterdam ist um einiges billiger als Holz aus Zentraleuropa dorthin zu liefern. Unsere Stärke ist die Holzindustrie in Verbindung mit der Holzenergie. Für einen Kubikmeter verbautes Holz fallen vom Wald bis zur Baustelle sieben Kubikmeter an Nebenprodukten an. Am Ende des Lebenszyklus, teilweise nach mehreren Recyclingzyklen, steht praktisch alles geerntete Holz für die Energiewende zur Verfügung. Zugpferd für die Energiewende ist also der Holzbau.

Wie groß ist denn das Potential für einen weiteren Ausbau von Biomasse, ohne die Nachhaltigkeit aus den Augen zu verlieren?

Im Verhältnis zum Bedarf für die Dekarbonisierung des Energiesystems würden wir weniger Biomasse brauchen als Angebot zur Verfügung steht. Wir ernten momentan 70 bis 80 Prozent des Holzzuwachses und haben damit noch Ausbaupotential. Zudem fällt durch den Klimawandel mehr Schadholz an. Der Anteil an Bioenergiesortimenten bei der Holzernte steigt damit automatisch an. Neben der Frage, um wie viel man die Holzernte steigern könnte, erhöht zusätzlich der Einsatz effizienterer Technologie das Potential. Wer eine alte Scheitholzheizung rauschmeißt und durch eine neue Pelletsheizung ersetzt, hat die Hälfte des Brennstoffes gespart.

Das heißt, man könnte Europa nachhaltig mit Biomasse versorgen?

Die Biomasse entwickelt sich in allen Energiemixen zum bedeutendsten Energieträger. Die Mengen an eingesetzter Biomasse variieren aber, je nachdem welche Technologien eingesetzt werden. Da gibt es Unterschiede, ob man zum Beispiel auf Elektrifizierung, Vergasung oder den Einsatz von Wasserstoff setzt. Das wird je nach Region und Staat unterschiedlich sein. In Portugal funktioniert die Forstwirtschaft anders als im Waldviertel und in der Obersteiermark anders als im Waldviertel.

Letztlich läuft es auf einen Wettkampf der Lobbygruppen in Brüssel hinaus. Hat die Biomasse genug Gewicht, um ihre Argumente durchzubringen?

Das hoffen wir. Wir sind eine kleine Gruppe und haben nicht die Macht, die die Öl-Lobby und von ihr finanzierten Organisationen haben. Die Gemeinden und Regionen leisten aber europaweit Widerstand. Sie müssen die Energiewende umsetzen und können auf Biomasse nicht verzichten, weil sie sonst ihre Ziele nicht erreichen können.

www.biomasseverband.at

bioenergyeurope.org

Der Beitrag Holzbau als Zugpferd der Energiewende erschien zuerst auf Blick ins Land.

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