AGÖ übergibt „Regierungsprogramm“
Die Agrargemeinschaft Österreich, AGÖ, hat ein Programm in insgesamt 54 Punkten herausgegeben, mit dem sie ihre Forderungen zur Zukunft der Agrarpolitik festzurrt. Dieses wurde den im Nationalrat vertretenen Fraktionen übergeben.
Fast liest sich das gebundene Werk, das die Führungsspitze der AGÖ im Café Landtmann in der Wiener Innenstadt präsentierte und im Anschluss ins Parlament trug, wie ein tatsächlich zwischen Parteien paktiertes Abkommen. Doch ist es ein Konvolut, das die umtriebige Gemeinschaft unter Einbindung ihrer Mitglieder erstellt hat. „Wie haben 18.000 Betriebe und sprechen mit der Kompetenz der Betroffenheit“, meinte AGÖ-Gründervater Johann Konrad vor Journalisten. 2.000 Landwirte hätten ihren Input geliefert. „Unser Geschäft ist nicht die Börse oder das Bankwesen, sondern die Landwirtschaft.“ Einen Namen hat sich der Rinderhalter aus dem Hausruckviertel in den vergangenen Jahren als wortgewaltiger Kritiker der alteingesessenen Agrarstrukturen gemacht. Mit, nicht immer sehr diplomatischen, Sprachnachrichten sorgt der größte Milchbauer Österreichs für Wirbel in der Szene. Aus der als Einkaufsgemeinschaft ist nach 30 Jahren, zumindest in einigen Regionen, auch ein politischer Faktor geworden.
Als solcher erlaubt sich die AGÖ ihre Forderungen lautstark hinauszuposauen. „Es hat uns gebraucht, weil die Bauern ihre eigene Standesvertretung nicht mehr wollen. Sie erscheinen nicht mehr auf den Veranstaltungen des Bauernbundes“, tönte AGÖ-Öffentlichkeitsverantwortliche Martina Mittermayr. Daher habe man das Werk mit dem Namen „Bauern fordern Fairness“ geliefert. Man wolle im Gegensatz zu anderen eine überparteiliche, bäuerliche NGO sein. „Wir treten mit unserem Regierungsprogramm dem Klischee entgegen, dass die AGÖ immer nur Forderungen stellt und keine Lösungen anbietet.“ Man säe ein Samenkorn und schaue, welche Parteien es sich zu Nutze machen wollen.
Inhaltlich orientiert sich der Forderungskatalog an drei Leitlinien, erklärte der dafür verantwortliche ehemalige FPÖ-Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Kärnten, Manfred Muhr. „Wir wollen Bürokratie durch Hausverstand ersetzen und das Einkommen steigern, um die Bauernhöfe in der Struktur zu erhalten.“ Zudem wolle man ein faires Spielfeld schaffen. „Es ist wichtig, dass unsere Standards auch für Importe gelten.“ Österreich habe massiv an Ernährungssouveränität verloren. „Wir sind Vorreiter, werden aber so teuer, dass unsere Produkte nicht mehr gekauft werden.“ Ein wesentlicher Punkt im AGÖ-Programm ist eine zusätzliche „Bauernmilliarde“ über den gesamten kommenden Zeitraum der Gemeinsamen Agrarpolitik. Hundert Prozent des Auszahlungsbetrages müssten in dem Jahr kommen, in dem die Leistung erbracht wurde. Weiters fordert man eine umfassende Herkunftskennzeichnung auch in der Gastronomie. „In Kärnten gibt es einen Wirten, der seine Lieferscheine bei der Garderobe aushängt.“
Österreichs Bauern seien die bestkontrollierte Berufsgruppe auf dem Planeten. Die AGÖ will die Zahl der Überprüfungen auf eine pro Jahr beschränken. Ein rotes Tuch ist für Muhr die AMA Marketing. „Wenn es eine gesetzliche Haltungsformkennzeichnung gibt, ist damit der wesentliche Teil des AMA-Gütesiegels bereits erfüllt.“ Außer beim Rindfleisch habe es in keinem Bereich einen finanziellen Zuschlag gegeben, zeterte der Kärntner. Die Marketing müsse daher abgeschafft und ihre Aufgaben in die Muttergesellschaft integriert werden. „Für das Gütesiegel sollen nicht die Bauern, sondern die Verarbeiter und der Handel über Lizenzgebühren zahlen.“ Ebenso abschaffen wollen die Agrar-Rebellen die Landwirtschaftskammer Österreich als Dachorganisation. Der Vorsitz solle im Rotationsprinzip wie bei der Landeshauptleute-Konferenz zwischen den Bundesländern wechseln. Manfred Muhr forderte auch die Schaffung eines „Ernährungsministeriums“, in dem alle Belange der Lebensmittelproduktion zusammengefasst sind.
Auf Kriegsfuß steht die Führungsriege der AGÖ auch mit den genossenschaftlichen Milchverarbeitern. „Die Einführung der Haltungsformkennzeichnung ist deswegen so danebengegangen, weil die Bauern nicht eingebunden wurden“, meinte Johann Konrad. Für Aufsehen hatte die Aussage im BLICK INS LAND-Interview im Sommer gesorgt, dass man sich zu einer Liefergemeinschaft für Milch weiterentwickeln wolle. Martina Mittermayr gab dazu ein Update: „Alleine von der Kärntner Milch sind die Lieferanten von 30 Millionen Kilo Milch an uns herangetreten. Wir werden diese nicht selber handeln, aber weitervermitteln.“ Eingeschaltet hat sich die AGÖ auch in den Streit zwischen NÖM und Spar. Hier sei man in Kontakt mit dem Handelskonzern. Auf Aufforderung der Gemeinschaft seien diesem unzählige Protestmails geschickt worden. „Die Molkereien sind von den Konzernen abhängig. Diese fürchten nur eines, und das ist, wenn die Bauern kommen“, so Johann Konrad.
STEFAN NIMMERVOLL
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