Experten der Pflanzenzucht referierten bei ÖHV-Webinar
„Eines ist klar: der Klimawandel und damit einhergehend steigende Temperaturen sowie mangelnder Niederschlag setzt viele Sorten zunehmend unter Stress. Das Sortenspektrum im Pflanzenbau wird sich nachhaltig in Richtung hitze- und trockenheitstoleranter Sorten verändern müssen. Das ist aber ein Prozess, der nicht von heute auf morgen vonstattengeht und der die Forschung mit oftmals neuen Wegen fordert. Wege, die beispielsweise in Oberösterreich durch Agrarlandesrat Max Hiegelsberger gemeinsam mit der Saatbau Linz beschritten wurden“, so der Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Hagelversicherung und BOKU-Uniratsvorsitzende, Dr. Kurt Weinberger, in seinen einleitenden Worten. Er weist aber auch auf einen anderen lebensnotwendigen Umstand hin: den Erhalt der begrenzten Ressource Boden. „Wir werden in Zukunft stabilere Erträge mit weniger Ressourceneinsatz brauchen. Gerade die Corona-Krise zeigte uns, wie abhängig und verletzbar wir sind – Stichwort sinkender Selbstversorgungsgrad, zum Beispiel 86 Prozent beim Brotgetreide. Ernährungssicherheit kann man aber nicht importieren! Wir müssen national die Voraussetzungen schaffen, um die Bevölkerung im Krisenfall ernähren zu können. Daher gilt es, die Ressourcen zu schützen und in die Forschung zu investieren!“
Gohn: Pflanzenzüchtung im Europäischen Umfeld
Pflanzengenetisches Material ist in Europa und in fast allen Ländern der Welt reguliert, Getreide, Mais sowie Öl- und Eiweißfrüchte müssen ein hoheitliches Zulassungsverfahren durchlaufen. In der Europäischen Union sind gegenwärtig 12 Richtlinien für die verschiedenen Kulturarten in Kraft, die meisten aus 1966. Das österreichische Saatgutgesetz aus 1997 setzt die EU-Richtlinien um. Der europäische Saatgutmarkt beträgt ca. 10 Mrd. Euro, die Anteile der Hauptkulturen machen bei Getreide 39 Prozent, Mais 26 Prozent, Kartoffeln 14 Prozent und Gemüse 11 Prozent aus. Stärkste Getreidefirmen in der EU sind die französischen Genossenschaften RAGT und Limagrain, bei Mais führen Corteva (Pioneer) und Bayer (Monsanto). Eine Neufassung der Saatgutgesetzgebung der Kommission wurde vom Europäischen Parlament abgelehnt und von der Kommission zurückgezogen. Die neu entwickelten Züchtungsmethoden wurden vom Europäischen Gerichtshof als GMO eingestuft, wodurch die Anwendungen in Europa stark eingeschränkt wurden. Die Diskussion über die Saatgutgesetzgebung ist weiter im Gange.
Bürstmayr: Herausforderungen an die Pflanzenzüchtung im Wettlauf mit dem Klimawandel
Spezifische Herausforderungen sind die Zunahme von Hitze- und Trockenperioden in den kritischen Wachstumsphasen sowie Änderungen bei Schädlingen und Pflanzenkrankheiten. Die Züchtung kann durch Selektion regional angepasste Sorten entwickeln. Züchtung kann die Auswirkungen des Klimawandels nicht kompensieren: mehr Trockenperioden und Hitzetage würden trotz neuer und angepasster Sorten dazu führen, dass die Erträge insgesamt sinken würden.
Mechtler: Risikobewertung bei der Sortenzulassung
Ziel der Sortenzulassung ist die Verfügbarkeit standortangepasster Züchtungen zur Minderung von Anbaurisiken unter Beibehaltung einer geeigneten Produktqualität. Auf EU- und nationaler Ebene sind Sortenkandidaten in mehrortigen und mehrjährigen Versuchen im Vergleich mit aktuellen Sorten in ihren Eigenschaften zu beurteilen. Das Prüfortenetz folgt einer sich auch witterungsbedingt ändernden Anbauverbreitung einer Kulturart. Regionale Unterschiede in der Sortenreaktion (Trocken- und Feuchtlagen) werden berücksichtigt. Nahezu alle Sorteneigenschaften sind von der Witterung beeinflusst. Angesichts des Klimawandels sind Raschheit im Jugendwachstum, Frühreife, Widerstandskraft gegenüber Krankheiten und wärmeliebenden Schaderregern, Toleranz gegenüber Wassermangel und Hitzestress und das Abreifeverhalten im Hinblick auf die Nutzung längerer Vegetationszeiten bedeutsam.
Birschitzky: Getreide- und Sojazüchtung unter dem Eindruck des Klimawandels
Als Anpassungsstrategie ist der Umstieg von Sommer- auf Wintergetreide sowie der Anbau von frühreifen Sorten zu empfehlen. Wintergerste wird zunehmen, weil sie das früheste Ährenschieben aufweist. Stresstoleranz von Getreide lässt sich in heißen, trockenen Regionen wie Türkei, Rumänien, Ungarn etc. sicher testen. Genomische Selektion ist eine wertvolle Hilfe, um besonders stresstolerante Zuchtstämme zu identifizieren. Sojabohne ist besser hitzeangepasst und hat in Europa eine große Zukunft. Die Saatzucht Donau ist derzeit europaweit führend in der Sojabohnenzüchtung und bietet starke Sorten der Reifegruppen 0000 – 0 für den Speise- und Futterbereich an (33 Zulassungen in den letzten 7 Jahren).
Heissenberger: Genome Editing bei Nutzpflanzen – mögliche Risiken und Potentiale
Unter Genome Editing versteht man zielgerichtete Veränderungen des Genoms. Da diese Methoden, insb. die CRISPR-Cas Technik, relativ einfach bei vielen Pflanzenarten angewandt werden können, ist eine rasche Entwicklung unterschiedlichster Produkte möglich. In der EU gibt es noch keine Zulassung solcher Nutzpflanzen und auch weltweit werden erst einige wenige vermarktet. Genome Editing erlaubt auch komplexe Veränderungen im Erbgut und ermöglicht es damit, Pflanzen resistent oder stresstolerant (z.B. gegen Trockenheit oder Salz) zu machen. Allerdings ist diese erhöhte Fitness der Pflanzen auch mit möglichen Umweltrisiken, wie einem erhöhten Auswilderungspotential verbunden. Eine fundierte Risikoabschätzung ist daher auch bei diesen Pflanzen notwendig.
Das Webinar zum Nachhören und herunterladen auf : https://www.hagel.at
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