Rückenwind für die Digitalisierung

Die letzten Wochen waren auch für die Agraradministration mehr als fordernd. Niederösterreichs Landwirtschaftskammerdirektor FRANZ RAAB ist mit der Leistung seiner Mitarbeiter zufrieden.
Wie hat denn die Umstellung auf den Corona-Modus in der Landwirtschaftskammer funktioniert?
Gut. Wir waren in der Phase der Unsicherheit voll einsatzfähig und vom ersten Tag an durchgängig erreichbar. Die Anrufer haben gar nicht gemerkt, dass die meisten derer, die abheben, gar nicht in der Kammer sitzen. Und wir haben getrennte Teams aufgestellt, damit, falls ein Krankheitsfall auftritt, nicht eine ganze Bezirksbauernkammer oder Abteilung lahmgelegt ist.
Bringt die aktuelle Situation der Digitalisierung der bürokratischen Abläufe neuen Schwung?
Durchaus. Gerade was den Mehrfachantrag betrifft, haben wir in den letzten Wochen zum Beispiel viel mehr telefonisch oder über Bildschirmfreischaltungen gemacht. Viele Leute haben mit telefonischer Unterstützung ihre Anträge selbst elektronisch vorbereitet, sich dann aber die Sicherheitstür offen gelassen, dass wir nochmals gemeinsam drüberschauen. Wenn ab Anfang Mai der Parteienverkehr wieder möglich ist, werden wir daher diese Anträge rasch fertigstellen können.
Was waren denn die häufigsten Fragen, die sie von ihren Mitgliedern bekommen haben?
Das hat sich innerhalb der letzten Wochen stark gewandelt. Am Anfang ist es darum gegangen, was ich als Bauer noch darf. Dann sind die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und die Möglichkeiten der Stundung bei der Sozialversicherung und der Härtefallfonds im Mittelpunkt gestanden. Selbstverständlich gibt es neben Corona weiterhin auch anderen Themen. Zur Zeit haben die Bauern vor allem mit der Trockenheit und dem starken Auftreten des Borkenkäfers zu kämpfen.
Welche Schlüsse kann man denn aus der Krise ziehen?
Dass Versorgungssicherheit keine Selbstverständlichkeit ist. Das wird jetzt vielen bewusst. Und dass kurze, regionale Kreisläufe in einer Krisensituation Vorteile bieten.
Momentan reden viele von regionaler Produktion und weniger Globalisierung. Wir dieser Gesinnungswandel nachhaltig sein?
Ich mache mir keine Illusionen, dass sich deswegen von heute auf morgen alles ändern wird. Veränderungen brauchen Zeit. Situationen wie diese können den Gesinnungswandel aber beschleunigen. Unsere Aufgabe ist es, sich jetzt damit auseinanderzusetzen, wo wir noch Potentiale haben, um Änderungen herbeizuführen.
Das heißt die Krise ist auch eine Chance?
So möchte ich das nicht formulieren. Das Coronavirus bringt massive Herausforderungen mit sich. Man versucht aber natürlich zumindest die Möglichkeiten, die sich ergeben, zu nutzen – wie etwa die Stärkung der regionalen Produktion. Diese hätte ich aber lieber ohne diese Krise vorangetrieben.
Wie zufrieden sind Sie mit den Hilfestellungen der Regierung?
Wir sind da mitten in einem laufenden Prozess. In jedem Fall sehen wir, dass es immer wieder Nachschärfungen gibt, wo das notwendig ist. Zum Beispiel beim Härtefallfonds, wo ursprünglich ein zweites Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze ein Ausschließungsgrund gewesen ist.
Reichen die zur Verfügung gestellten Summen?
Das wird die Zukunft zeigen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass es im Corona-Hilfsfonds, der derzeit mit 15 Milliarden Euro dotiert ist, weitere Möglichkeiten für die Landwirtschaft geben wird.
Viele Nebenerwerbslandwirte verlieren aktuell ihren Arbeitsplatz. Wer zu viel Einheitswert hat, dem steht aber auch kein Arbeitslosengeld zu.
Die Regelung bezüglich der Zuverdienstgrenze von rund 460 Euro ist grundsätzlich über alle Berufsgruppen hinweg gleich und keine Besonderheit der Landwirtschaft. Bei uns leitet man diese eben vom Einheitswert ab. Deshalb wirkt sich das sehr unterschiedlich aus. Wo die Einheitswerte hoch sind, kommen viele Nebenerwerbslandwirte über diese Grenze.
Wie kann man das lösen?
Ein Ansatz ist, dass man das tatsächliche Einkommen und nicht den Einheitswert zugrunde legt, wenn das günstiger ist.
Gibt es einen Zeithorizont, bis wann Sie wieder mit einer Normalisierung der Märkte rechnen?
Das kann niemand beantworten. Die Probleme sind nicht überall alleine durch Corona bedingt, sondern werden dadurch noch verstärkt. Die Situation hat jene Bereiche am stärksten betroffen, in denen wir zuvor schon Schwierigkeiten gehabt haben, wie Holz und Rindfleisch. Das heißt, dass eine Rückkehr zu brauchbaren Preisen hier nicht nur mit der Aufhebung der durch Corona bedingten Maßnahmen zusammenhängt. Auch in anderen Bereichen, zum Beispiel im Weinbau, wird es dauern, bis es wieder zu einem normalen Absatz kommt, weil ja die Gastronomie erst schrittweise geöffnet wird und der Tourismus ausfällt.
Können in Sektoren wie der Milch Mengenbeschränkungen helfen?
Von politischer Seite sehe ich offen gesagt weder in der EU noch international in der WTO eine realistische Basis dafür, dass man zu einer Kontingentierung zurückkehrt. Es braucht aber Instrumente wie die private Lagerhaltung, um flexibel auf Marktveränderungen eingehen zu können. Manche Molkereien setzen zudem Mengensteuerungsmaßnahmen um. Darüber hinaus brauchen wir Schutzmaßnahmen gegen Dumpingimporte, gegenüber Ländern, in denen mit Reglements gearbeitet wird, die bei uns nicht zulässig sind.
Die Diskussion rund um die nächste GAP-Periode ist wegen COVID-19 in den Hintergrund getreten. Ist somit ein zweites Übergangsjahr besiegelt?
Damit müssen wir mehr oder weniger fix rechnen. Aus der Europäischen Kommission hören wir, dass man darüber nachdenkt, den Entwurf für eine Verordnung für ein Übergangsjahr auf zwei Jahre zu verlängern. Formal kann das aber erst beschlossen werden, wenn der Finanzrahmen steht. Im Gegensatz zur letzten GAP ist jedenfalls beabsichtigt, dass bekannte Maßnahmen mit anteilig neuem Geld ausgestattet werden. Damit könnte das bekannte Programm einfach zwei Jahre länger durchgefahren werden. Das würde gerade in der jetzigen Situation Sicherheit und Stabilität vermitteln.
Auch die neue EU-Bioverordnung wird kaum fristgerecht per 1.1.2021 möglich sein.
Nein. Das wäre bei all den Dingen, die noch offen sind, fahrlässig. Da brauchen wir ebenfalls ein Jahr länger Zeit, um uns auf die neuen Vorgaben vorzubereiten. Auch die Übergangsregelung zur Weideverpflichtung sollte dann ein Jahr länger gelten.
Die Bewältigung der Krise wird in allen Bereichen viel Geld verschlingen. Werden da noch genügend Mittel für die Landwirtschaft vorhanden sein?
Die Verteilungsdebatte wird nach der Krise noch schärfer geführt werden. Es ist aber ein gewisses Bewusstsein entstanden, dass eine funktionierende Landwirtschaft Versorgungssicherheit bietet. Da merke ich durchaus in Österreich und auch in Brüssel die eine oder andere Meinungsänderung. Ich vertraue hier nach wie vor auf die Zusage der Regierung, dass es für die Mittel, die dort nicht zur Verfügung stehen, einen nationalen Ausgleich geben wird.

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