„Wir brauchen keine Zweiklassenwinzerschaft“
Österreichs Weinbau befindet sich in Umbau auf Herkunftsmarketing. Burgenlands Weinbaupräsident ANDREAS LIEGENFELD sieht das kritisch. Ein Gespräch über DAC, Lagenklassifizierung und überteuerte Preise im Wirtshaus.
Spüren auch die Winzer die Kaufzurückhaltung bei höherpreisigen Produkten?
Absolut. Die gesamte Weinwirtschaft erlebt eine extreme Konjunkturdelle. Wir sind zwar überraschend gut durch Corona gekommen, danach haben aber verschiedene Einflüsse die Situation im zweiten Halbjahr 2023 dramatisch verschärft. Es wird auch ein schwieriges Jahr 2024 werden, weil uns die Abnahmemenge in der Gastronomie fehlt. Vor allem das klassische Gasthaus hat von Vorarlberg bis ins Burgenland ein großes Problem.
Ist das Achtel Wein im Wirtshaus zu teuer geworden?
Manche haben die Preise so angezogen, dass es bedenklich ist. Wenn in der Weingegend in einem Gasthaus das Achtel Wein zwischen sechs und acht Euro kostet, ist das überzogen. Hier kalkulieren manche Gastronomen nicht fair. Beim Essen sind sie extrem billig sind, bei den Getränken aber sehr teuer. Wir haben deshalb eine Kampagne gemeinsam mit dem Fachverband der Gastronomie unter dem Motto „Ein faires Achterl“ gestartet. Ein Wirt, der fair kalkuliert, ist ein wichtiger Partner, weil damit auch der entsprechende Konsum da ist.
Wie schaut es mit der Wirtschaftlichkeit der burgenländischen Weingüter aus?
Grundsätzlich ist sie gegeben. Aber im wichtigen Rotweinsektor haben wir im Verkauf das eine oder andere Problem, weil er nicht mehr ganz in ist. Das ist ein weltweites Phänomen.
Am anderen Ende der Skala stehen unzählige Traubenproduzenten. Dort sind die Deckungsbeiträge nicht berauschend.
Wir haben es im Burgenland geschafft, dass der freie Traubenverkauf keine zehn Prozent der Gesamtmenge mehr ausmacht. Der Markt ist sehr geordnet. Es gibt viele fixe Zulieferer an die größeren Betriebe, die faire Preis zahlen. Wir haben auch gut aufgestellte Winzergenossenschaften, die wertvolle Arbeit leisten. Der freie Traubenmarkt wird sich in den nächsten Jahren komplett auflösen. Die vagabundierenden Traubenproduzenten haben eine derartig geringe Wertschöpfung, dass sie von alleine aufhören werden.
Das Land Burgenland könnte ja eine landeseigene Kellerei mit garantierten Abnahmepreisen gründen, wie es bei der Milch aktuell der Fall ist.
Man muss die Kirche im Dorf lassen. Da geht es um eine geringe Menge Milch. Wenn man als Gastronom eine regionale Käsekarte anbieten will, gibt es fast nichts. Daher will man in der Landwirtschaftlichen Fachschule Güssing hochwertigen Käse herstellen. Das ist zu unterstützen.
Andere agrarische Sparten fechten ihre Sträuße mit der SPÖ-geführten Landespolitik aus. Wie tut sich der Weinbau?
Die Weinwirtschaft hat absolut kein Problem. Das Burgenland ist das einzige Bundesland, wo der Weinbau direkt dem Landeshauptmann untersteht, weil man dort Tourismus, Kultur und Wein als wichtige Säulen der Wirtschaft gemeinsam unter einer politischen Verantwortung haben möchte. Er gibt der Weinwirtschaft sehr viel Spielraum. Der Büroleiter von Landeshauptmann Doskozil, Herbert Oschep, ist Obmann des Weintourismus Burgenland und wird auch Obmann der Wein Burgenland. Er kennt sich beim Wein aus. Politisch geht es der Weinwirtschaft also sehr gut.
Unterstützen Sie die Biowende, die Landeshauptmann Doskozil dem Burgenland verordnet hat?
Ja, absolut. Wir haben im Weinbau einen sehr hohen Bioanteil. Uns ist aber die Wahlmöglichkeit wichtig. Jeder soll sein Konzept umsetzen können, egal ob es bio, biodynamisch, nachhaltig zertifiziert oder konventionell ist.
Im Vorjahr hat sich mit der Thermenregion das letzte Weinbaugebiet dem DAC angeschlossen. Sehen Sie in der Umsetzung dieses Herkunftsmarketings einen Erfolg?
Es stellt sich die Frage, ob das System das Weintrinken nicht zu schwierig macht. Vor lauter Schlagwörtern bei Region, Lage und Ausbaustil wird es dem Konsumenten zu viel an Information und er trinkt lieber ein alternatives alkoholisches Getränk. Wir Winzer glauben oft, dass wir uns ausschließlich auf die zehn Prozent derer, die sich mit dem Produkt intensiv auseinandersetzen, konzentrieren müssen. 90 Prozent des Weinkonsums spielt sich aber in Gesellschaft ab. Da will man einfach ein gutes Glas Wein trinken. Wir sind deshalb am Beginn eines Umdenkens: „Burgenland“ ist die wichtigste Botschaft. Der Konsument muss sofort erkennen, dass die Flasche Wein da herkommt. Erst dann kann man präziser werden.
Heißt das weg vom DAC, wo jede Region andere Vorgaben hat?
Nicht komplett. Mir schwebt aber ein bisschen mehr Gleichförmigkeit vor. Es ist für den Konsumenten total schwierig, zu unterscheiden, von welchem Gebiet welche Sorte DAC sein darf, wann die Riede draufstehen darf und wann der Wein in Verkehr gebracht werden darf. Da tue ich mir selber oft schwer.
Der nächste Schritt ist die Lagenklassifizierung. Sie treten massiv dagegen auf.
Wir haben eine ganz klare Meinung: Wir wollen absolut keine Klassifizierung von Lagen. Dazu gibt es einstimmige Beschlüsse im Regionalen Weinkomitee Burgenland. Wir haben nichts dagegen, wenn irgendein anderes Gebiet glaubt, sich damit profilieren zu können. Wir glauben aber, dass das nicht der moderne Weg der Weinpräsentation ist. Und es ist ein ganz schwieriger Prozess. Historische Klassifizierungen sind meistens nicht in Demokratien geschaffen worden.
Gekommen ist dieses Konzept ja über die Traditionsweingüter, einem privaten Verein renommierter Weingüter. Haben sich einige Elitebetriebe da über die Interessen der großen Masse gestellt?
Natürlich. Irgendwann musste die Weinbaupolitik die Entscheidung treffen, ob man das toleriert oder verbietet. Jetzt sucht man einen dritten Weg, wo es eine Lösung in einem gesetzlichen Rahmen für alle Betriebe in Österreich gibt.
Bin ich nicht automatisch ein Winzer zweiter Klasse, wenn ich keinen Weingarten in einer dieser zertifizierten Lagen habe?
Genau. Aber ist der Wein vom Nachbargrund, der nicht „Erste Lage“ ist, nicht so gut? Das ist gestrig und nicht zukunftsfähig. Deshalb ist nicht nur das Burgenland, sondern auch die Wachau stark dagegen.
Eine Klassifizierung würde auch massiv in den Bodenmarkt hineinspielen.
Hier wird ins Eigentum eingegriffen. Damit habe ich ein Problem. Ich will nicht, dass wir eine Zweiklassenwinzerschaft bekommen. In Deutschland gibt es mit dem Verband Deutscher Prädikatsweingüter de facto eine solche. Mein Sohn war dort Praktikant. Dort wird beim Einkauf im Landesproduktenhandel zuerst gefragt, ob man VDP-Mitglied ist, weil es dann bessere Konditionen gibt. Das sollten wir im Burgenland tunlichst vermeiden.
Die Errechnung der Kriterien für eine Erste Lage durch das Ministerium ist kompliziert. Erschafft sich die Weinwirtschaft da ein Bürokratiemonster?
Ich denke schon. Das Papier dazu ist extrem komplex. Schauen wir einmal, ob das wirklich machbar sein wird. Seit wir die Botschaft herausgegeben haben, dass wir im Burgenland die Klassifizierung nicht wollen, habe ich sehr viele Anrufe aus Niederösterreich und der Steiermark bekommen. Viele Kollegen fühlen sich überfahren. Es wird noch Diskussionen geben.
Neben der Lagenklassifizierung müssen die Weinbauern auch Nährwert- und Allergenangaben auf den Etiketten ausweisen. Wird alles immer komplizierter?
Das ist eine europäische Vorgabe. Da muss man klipp und klar sagen, dass die letzten fünf Jahre in der Europäischen Union eine Katastrophe waren. Rund um den Neusiedlersee wäre der Pflanzenschutz mit der Sustainable Use Regulation aufgrund der Naturschutzgebiete komplett untersagt gewesen. Diese Verbotspolitik muss ein Ende haben. Wenn ich solche Papiere in die Öffentlichkeit bringe, darf ich mich nicht wundern, dass hunderttausende Bauern mit ihren Traktoren auffahren.
STEFAN NIMMERVOLL
Andreas Liegenfeld (60) ist Winzer in Donnerskirchen und seit 2009 Präsident des burgenländischen Weinbauverbandes. Von 2011 bis 2016 war er auch Agrarlandesrat des Burgenlandes.
Der Beitrag „Wir brauchen keine Zweiklassenwinzerschaft“ erschien zuerst auf Blick ins Land.
Agrarpolitik, BLICK INS LAND vor Ort, Burgenland, Liegenfeld, Wein