Vernunft hat sich durchgesetzt
Sowohl das Europaparlament als auch der Rat der Agrarminister haben jüngst ihre Positionen zur Gemeinsamen Agrarpolitik festgezurrt. STEFAN NIMMERVOLL hat darüber mit den ÖVP-Europaparlamentsabgeordneten SIMONE SCHMIEDTBAUER und ALEXANDER BERNHUBER diskutiert.
Sind die Ergebnisse nun ein Schritt in die richtige Richtung oder eine verpasste Chance zu einer wirklichen Veränderung in der Landwirtschaft, wie manche beklagen?
Schmiedtbauer: Es gibt wieder ein starkes Signal für eine gemeinsame Agrarpolitik. Wir haben endlich im Europaparlament abgestimmt. Das war enorm wichtig. Wir haben eine Lösung verabschiedet, die in Zukunft sowohl die Landwirte als auch die Umwelt schützt. Das geht nur in einem Kompromiss, auch weil im Agrarausschuss von 48 Mitgliedern nur zehn einen agrarischen Hintergrund haben. Man rechne sich das gerne auf ein Haus mit 704 Abgeordneten hoch. Wir haben zum Teil realitätsferne Diskussionen geführt und mussten für den GAP-Abschluss auch rote Linien überschreiten. Dass zum Beispiel 30 Prozent Mittelbindung für die Ökoregelungen in der ersten Säule, beschlossen wurden, tut uns weh. Doch mit Blick auf das Ratsergebnis, werden wir das in den Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission entschärfen. Es ist uns aber gelungen, dass Ernährungssicherheit weiterhin der Kern der Agrarpolitik bleiben wird. Und das Zwei-Säulen-Modell mit Direktzahlungen und Ländlicher Entwicklung wurde abgesichert.
Kritiker meinen, dass sich damit die Agrarlobby durchgesetzt hat.
Bernhuber: Überhaupt nicht. Die Vernunft hat sich durchgesetzt. Wenn wir jetzt wieder zurück zum Start gegangen wären, wie es manche gefordert haben, hätten wir wieder Jahre an Verhandlungen und Verunsicherung gehabt. Wir stehen für eine Evolution der GAP und keine Revolution. Für die nächste Periode ab 2027 kann man dann über Vieles nachdenken.
Was bedeutet die Parlamentsposition für Österreichs Bauern?
Schmiedtbauer: Wir haben bis zur letzten Minute für unsere Umwelt-, Klima- und Bergbauernförderungen gekämpft. Damit können wir unseren erfolgreichen Weg weitergehen. Ich sehe es auch als Bestätigung unseres ökosozialen Wegs in der Landwirtschaft in Österreichs, zu dem andere Länder erst einmal aufschließen müssen.
Die Europäische Kommission hat im Rahmen des Green Deals sehr weitreichende Reduktionsziele beim Pflanzenschutz und beim Nährstoffaustrag formuliert. Inwieweit spielen diese in die GAP herein?
Schmiedtbauer: Diese Ziele sind momentan reine Visionen der Kommission, die keinen Gesetzescharakter haben. Die Europäische Volkspartei wollte daher Green Deal-Verweise in der GAP verhindern, wurde aber überstimmt. Sobald die Strategien tatsächlich in Gesetzesvorschläge gegossen sind, werden sie in die GAP eingebunden. Zu bedenken gilt aber, dass die EU-Kommission für die Freigabe der GAP-Strategiepläne verantwortlich ist. Wenn der Kommission die Umwelt- und Klimaziele eines Landes also zu wenig ambitioniert erscheinen, kann sie Nachbesserungen einfordern.
Bernhuber: Derzeit sind das alles Zahlenspiele, hinter denen keine klaren Definitionen liegen. Die Reduktionsziele müssen zuerst mit wissenschaftlichen Folgewirkungsstudien hinterlegt werden. Wir müssen wissen, was das für die Einkommen der Landwirte und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung bedeutet. Es bringt nichts, wenn wir in Europa grüner werden und alle Ziele erreichen, aber gleichzeitig aus dem Regenwald importieren müssen, weil uns vergleichbare Betriebsmittel für eine eigene Produktion fehlen.
Verpflichtende europaweite Förderobergrenzen ab 100.000 Euro pro Betrieb sind vom Tisch.
Schmiedtbauer: Meine Einstellung dazu ist sehr klar: Ich will die Agrarindustrie nicht mit Direktzahlungen unterstützen. Dass beispielsweise die Firmen des tschechischen Ministerpräsidenten Babis mehrere Millionen im Jahr bekommen, bringt das gesamte System in Verruf.
Ist es dann nicht unehrlich, dass Österreich national kein Capping der Direktzahlungen umsetzen will?
Schmiedtbauer: Solche Agrarriesen gibt es in Österreich nicht. Unser Fokus liegt auf den Familienbetrieben. Die paar größeren Betriebe, die wir haben, sind genauso wichtig. Sie sichern Arbeitsplätze und tragen zur Artenvielfalt bei.
Genauso würde aber auch ein Betriebsleiter eines 10.000 Hektar-Betriebes in Osteuropa argumentieren.
Schmiedtbauer: Ein 10.000 Hektar-Betrieb ist kein Familienbetrieb mehr. Uns geht es auch darum zu verhindern, dass große Unternehmen tausende Hektar Grund kaufen und dafür auch noch Förderungen bekommen, während die landwirtschaftliche Nutzung zur reinen Nebensache wird.
Noch ist ja nichts fix. Es steht erst der Trilog bevor. Wie lange wird es, vor allem im Lichte der Corona-Krise, dauern, bis es da zu einer Einigung kommt?
Schmiedtbauer: Der erste Trilog soll am 10. November starten. Eine finale Einigung wird erst im Juni 2021 erwartet.
Ist es nicht ein Zeichen der Schwäche der Europäischen Union, dass es zum wiederholten Mal nicht gelungen ist die GAP zeitgerecht zum Beginn einer neuen Programmperiode fertigzustellen?
Schmiedtbauer: Nein, im Gegenteil: es ist ein Zeichen der Stärke, dass wir das unter diesen Rahmenbedingungen überhaupt geschafft haben. Wir verhandeln seit 2018. In der Zwischenzeit war die Wahl zum Europaparlament, die die Situation komplett verändert hat – für einen standhaften Kompromiss braucht man wegen den neuen Mehrheitsverhältnissen heute drei Parteien. Eine neue Kommission wurde bestellt, die uns den Green Deal gebracht hat. Und jetzt ist noch die Coronakrise dazugekommen. Der Druck des linken Flügels nach noch mehr Klima- und Umweltschutz ist immer intensiver geworden. Deshalb bin ich froh, dass wir jetzt den Sack zumachen konnten.
Im Anschluss an eine Einigung müssen die Mitgliedsländer ihre nationalen Strategiepläne vorlegen. Ist der Plan Österreichs die Errichtung von Schweineställen mit Vollspaltenböden nicht mehr zu fördern schon ein Beispiel für mehr nationalen Spielraum?
Schmiedtbauer: Prinzipiell ja, aber es war im Rahmen des ÖPUL Programmes in der aktuellen Periode bereits möglich, Maßnahmenpakete flexibel zu gestalten. Tierwohl ist uns in Österreich ein Anliegen und wird bestimmt auch in anderen Ländern ein wichtiger Bestandteil der GAP-Strategiepläne.
Bernhuber: Der Pakt für mehr Tierwohl ist eine positive Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik mit dem Ziel, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und noch stärker auf das Tierwohl zu setzen. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, Billig-Produkten aus Übersee einen Riegel vorzuschieben. Wenn die Konsumenten noch höhere Standards wünschen, müssen sie auch eigenverantwortlich zu regionalen Produkten greifen.
Verzerrt es nicht den Wettbewerb, wenn jedes Land erst recht wieder sein eigenes Süppchen kocht?
Bernhuber: Natürlich muss man aufpassen, dass es zu keinen Marktverwerfungen kommt. Es kann nicht sein, dass der tschechische Rübenbauer wenige Kilometer hinter der Grenze um einige hundert Euro mehr hat als der österreichische, weil er gekoppelte Zahlungen bekommt. Einheitliche Regeln für ganz Europa werden aber nicht funktionieren, weil die Landwirtschaft ganz unterschiedlich aufgestellt ist.
Schmiedtbauer: Mehr Subsidiarität sehen nicht alle positiv. Ich schon. Es hilft nichts, wenn wir über alle Länder dieselben Programme legen, die aber vor Ort nicht angenommen werden. Jedes Land weiß selber am besten, was seine Bauern brauchen. Der „one size fits all“-Ansatz hat ausgedient.
Das EU-Parlament hat sich gegen Mercosur ausgesprochen. Ist das Konzept des internationalen Freihandels überholt?
Bernhuber: Prinzipiell ist Freihandel wichtig und richtig. Sonst würden wir in Österreich nicht in Wohlstand leben. Er muss aber fair sein. Das ist bei zahlreichen Abkommen der Fall, von denen auch die Landwirtschaft profitiert. Bei Mercosur aber nicht. Da werden die Bauern im Stich gelassen. So kann Freihandel nicht funktionieren.
Innerhalb der ÖVP-Fraktion ist die Position nicht so eindeutig. Die Hälfte der Parlamentarier hat sich bei der Abstimmung enthalten und Othmar Karas hat für das Abkommen gestimmt.
Schmiedtbauer: Natürlich gibt es unterschiedliche Blickwinkel. Es gilt das freie Mandat.
Bernhuber: Im Regierungsprogramm ist das Nein zu Mercosur jedenfalls ohne Wenn und Aber klar geregelt.
Bei Veggie-Burger und Co. hat sich ihre Position nicht durchgesetzt. Muss man den Konsumenten da so bevormunden?
Schmiedtbauer: Wir haben einen funktionierenden Schutz für Milchbezeichnungen, der 2017 vom EuGH bestätigt – und sogar auf Rahm, Butter, Käse und Joghurt ausgedehnt – wurde. Dass nun auch ein Schutz für Fleischbezeichnungen eingeführt werden soll, ist für mich die logische Konsequenz. Doch für diese Ansicht ist ein regelrechter „Shitstorm“ über mich hereingebrochen. „Mörderin“ gehört noch zu den harmloseren Bezeichnungen, die mich über Facebook-Kommentare und Nachrichten erreicht haben. Zur Klarstellung: Ich traue es den Konsumenten selbstverständlich zu, zu lesen und sich selbst ein Bild zu machen. Ich respektiere jeden Vegetarier und Veganer. Man muss aber diskutieren dürfen. Und wir fordern Fairness ein.
Also ist es nicht Wurst, was in der Wurst ist?
Bernhuber: Nein. Im österreichischen Lebensmittelcodex ist klar geregelt wie viel Rind, Schwein und Speck zum Beispiel in einer Augsburger drinnen sein muss. Wenn dann die paar Buchstuben „Veggie“ davorstehen, ist plötzlich jegliche Zusammensetzung egal. Das ist nicht fair.
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