Teuerung macht Schmalhans zum Küchenmeister

Mit rund acht Prozent lag die Teuerung im Mai so hoch wie seit 1975 nicht mehr. Die Konsumenten reagieren mit Kaufzurückhaltung beim Fleisch. Die Branche hofft eine baldige Erholung. STEFAN NIMMERVOLL hat sich umgehört.

Um 20 bis 30 Prozent weniger Fleisch kaufen die Konsumenten derzeit im Lebensmitteleinzelhandel. Besonders spürbar ist dieser Einbruch beim Konsum von Premiumprodukten. „Die Einstiegspreisklasse wie S-Budget oder Clever geht bei den Mengen hinauf. Bei Bio ist es, wie wenn vor zwei Monaten ein Schalter umgelegt worden wäre“, sagt der Geschäftsführer der ARGE Rind, Werner Habermann. Gemeinsam mit der Zunahme bei den Schlachtungen und dem wachsenden Druck im wichtigen Abnahmemarkt Deutschland sei dies „eine teuflische Mischung.“ Von dort werden ähnliche Wanderbewegungen hin zum Billigsegment als Reaktion auf den Preisschock im Supermarkt gemeldet. Gerade in einer Zeit, in der sich die Produzenten mehr Richtung Tierwohl und besseren Standards orientieren wollten, sorgt das für zusätzliche Verunsicherung.

Die brandaktuellen Marktdaten korrelieren mit einer Umfrage, die Judith Traxler vom Meinungsforschungsinstitut marketargent.com gerade fertiggestellt hat. „Nur jeder Zehnte gibt dabei an, dass er trotz der Inflation nicht stärker auf den Preis und Aktionen schaut“, berichtet sie. Auch bei jenen die sich nach Eigendefinition eigentlich „alles leisten können“, meinen 70 Prozent, jetzt mehr auf ihre Lebensmittelausgaben zu achten. Neben der gesellschaftlichen Gruppe, die aufgrund der aktuellen Teuerung tatsächlich ums finanzielle Überleben kämpft, schränkt sich also auch die breite Mittelschicht im Einkauf ein. Tierwohl bleibt in der Umfrage zwar für vier von fünf Teilnehmer wichtig, mehr als 20 Prozent der Befragten sagen aber auch, dass sie sich solche Produkte nicht mehr leisten können.

„Wir sehen, dass die Leute zu sparen beginnen“, bestätigt die Leiterin der AMA-Marktforschung, Micaela Schantl. Verschärft wird die Entwicklung noch von einer Verschiebung der Absatzkanäle. Der Einzelhandel, der zwei Jahre Goldgräberstimmung hinter sich hat, verliert Anteile an die wieder erstarkte Gastronomie. Während die Menschen im Supermarkt zu hochwertiger heimischer Ware gegriffen haben, verzehren sie beim Wirten (auch mangels nachvollziehbarer Herkunftsauslobung) wieder mehr Importfleisch. Kurzfristig spiegelt sich die aktuelle Entwicklung aber auch in einer Verschiebung der Wertigkeiten wider. Statussymbole, wie der lang ersehnte Urlaub am Meer, sind momentan wichtiger als die beste Qualität beim Essen. Dabei hätten viele Menschen nach zwei Jahren ohne große Reisen und ausschweifende Restaurantbesuche eigentlich genug Geld. „Die derzeitige Zurückhaltung beim täglichen Einkauf ist auch eine psychologische Sache, die stark aufgeschaukelt wird“, analysiert Schantl.

Werner Habermann kommt zu einem ähnlichen Schluss: „Der eigentlichen Preistreiber ist die Energie. Wenn man aber jeden Tag nur hört, dass alles teurer wird, ist es kein Wunder, dass man bei den Lebensmitteln sparsam wird.“ In Kombination mit den exorbitant hohen Futtermittelpreisen wird die Luft für die Mäster jedenfalls dünn. Dennoch warnt der Rindermarkt-Experte davor, jetzt die grundsätzliche Ausrichtung des heimischen Sektors zu verändern und die Bemühungen Richtung mehr Tierwohl hintan zu stellen. „In einem Jahr wird alles ganz anders ausschauen. Wer jetzt keine Tiere einstellt, wird dann kein schlachtreifes Vieh haben.“ Darauf zu setzen, lieber das Getreide zu hohen Preisen zu verkaufen, statt es am eigenen Hof zu verfüttern, sei nicht langfristig gedacht. „20 oder 30 Hektar Äcker zu haben und damit ein Marktfruchtbetrieb sein zu wollen, wird bei normalen Preisen einfach nicht möglich sein.“

Auch Micaela Schantl rät, die österreichische Qualitätsfleischstrategie weiter zu verfolgen: „Der Ukraine-Krieg und die Coronapandemie werden irgendwann vorbei sein. Themen wie der Klimawandel und das Tierwohl werden uns aber weiter befassen. Sie werden uns in den nächsten eineinhalb Jahrzehnten permanent begleiten.“ Die Situation werde sich aber sicher über den Sommer ziehen, weil die Urlaube gebucht sind und die Leute damit daheim als Konsumenten ausfallen. Auch der weitere Verlauf der Ukraine-Krise sei nicht absehbar. „Irgendwann werden sich aber die Gehälter an das neue Preisniveau anpassen und sich Angebot und Nachfrage wieder finden.“

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