Großbetriebe beklagen Robin Hood-Symbolpolitik

In Österreich soll bei den Direktzahlungen künftig eine Obergrenze von 100.000 Euro, ohne Abzugsmöglichkeit der Kosten für Arbeitskräfte, gelten. Betroffen davon sind 43 größere agrarischen Betriebe. Deren Interessensvertretung, die Land & Forst Betriebe Österreich, schlägt Alarm. STEFAN NIMMERVOLL hat bei Vizepräsident ZENO PIATTI-FÜNFKIRCHEN nachgefragt.

Herr Piatti-Fünfkirchen, führen Sie einen bäuerlichen Familienbetrieb?

Ja, selbstverständlich.

Die Politik hat bei dessen Definition aber anscheinend eher das Bild eines Bergbauernhofes und nicht eine Gutsverwaltung im Ackerbaugebiet vor Augen.

Man sagt, dass es das Ziel der GAP-Reform ist, den bäuerlichen Familienbetrieb zu stärken. Die von der Deckelung betroffenen Betriebe sind in der Interpretation, was ein solcher ist, augenscheinlich nicht enthalten. Wir verstehen uns aber als Bauern und zahlen beispielsweise auch in die bäuerliche Sozialversicherung ein.

Wo ist dann die Grenze zwischen bäuerlichem Familienbetrieb und industrieller Landwirtschaft?

Die lässt sich sicher nicht an der bewirtschafteten Fläche und der Zahl der Angestellten festmachen. Im Osten Österreichs werden Sie nur mehr sehr wenige Betriebe finden, die ohne Fremdarbeitskraft, zum Beispiel über Lohnunternehmen, auskommen. Sehr viele Prozesse in der Landwirtschaft sind mittlerweile standardisiert und industriell organisiert, auch auf einem Bergbauernhof. Das Bild des Bauern, der mit dem alten 15-er-Steyr die Wiese mäht, stimmt auch dort nicht mehr; ebenso wenig wie jenes eines Großbetriebes, der seine Flächen mit riesigen Maschinen so intensiv wie möglich bearbeitet und möglichst viele Tiere in einen Stall sperrt. Es macht also keinen Sinn, die beiden Extreme gegeneinander auszuspielen.

Fühlen Sie sich als das Bauernopfer der GAP-Einigung?

Man betreibt Symbolpolitik und möchte dort etwas darstellen, wo es inhaltlich nicht viele trifft.

Die Land & Forst-Betriebe gehören ja durchaus zum Bauernbund-geprägten Agraruniversum. Die Vereinigung residiert an derselben Adresse wie die Landwirtschaftskammer. Sind Sie enttäuscht von der ÖVP?

Wir sind enttäuscht von der Einigung. Man hat uns für einen Imagegewinn im Regen stehen gelassen. Es waren aber nur fünfeinhalb Wochen Zeit für Verhandlungen. Da sind Entscheidungen übereilt getroffen worden. Man war sich nicht bewusst, was es bedeutet, die Lohnkosten nicht anzurechnen. Ich sehe aber den Willen, das noch irgendwie auszubügeln.

Ein Teil der betroffenen Betriebe ist aus den Besitzungen des Adels und der Kirche hervorgegangen. Inwiefern spielen in der Diskussion auch alte Ressentiments eine Rolle? 

Nach außen hin hört es sicher gut an, wenn man sagen kann, man hat den Großen eins mit dem Knüppel über den Kopf gezogen und man hat Robin Hood gespielt. Aber wenn man sich die Entwicklungen im Ackerbau anschaut, muss man festhalten, dass auch andere Betriebe betroffen sind. Im Seewinkel gibt es mittlerweile einige Höfe, die eine Betriebsgröße erreicht haben, wo das relevant wird. Schreibt man das fort, werden bald viel mehr Betriebe von der Diskussion berührt sein.

Getragen wird die Struktur aber von den unzähligen Nebenerwerbsbauern.

Sie leisten wertvolle Arbeit und müssen unterstützt werden. Die Landwirtschaft soll aber ein Sektor sein, von dem man leben kann. Bei 65 Prozent der Betriebe in Österreich ist das nicht mehr der Fall. Der Fokus triftet immer weiter weg vom Haupterwerb. Die öffentlichen Gelder sind schon bisher stark in den Berggebieten konzentriert. Die Marktfruchtbetriebe stehen in dieser Statistik ganz am Ende. Dementsprechend war der Strukturwandel im Osten am stärksten. Jetzt geht man mit der Umverteilung von weiteren zehn Prozent den nächsten Schritt und verschiebt wieder mehr Geld in die Berge. Die Kappung befeuert das noch zusätzlich. Das ist nicht zielführend.

Es lässt sich aber kaum bestreiten, dass große Flächen kostengünstiger zu bewirtschaften sind. Ist es aus Fairnessgründen nicht trotzdem angebracht, dies durch geringere Zahlungen wieder wettzumachen?

Es gibt ohne Frage Vorteile durch die Fixkostendegression. Ab einer gewissen Größe muss man aber wieder investierten und zusätzliche Leute einstellen. Dem trägt eine Kappung nicht Rechnung, weil man ab einem gewissen Punkt einfach gar nichts mehr bekommt. Selbst darüber könnten wir aber reden, wenn alle anderen Betriebe dadurch einen Vorteil hätten. 17 Euro pro Jahr und Hof durch die Mittel, die mit den Obergrenzen frei werden, bringen aber auch für diese keinen Effekt.

Billigere Produktion hat aber auch Auswirkungen am Markt und drückt die Preise für alle.

Absolut das Gegenteil ist der Fall. In Österreich heben die großen Betriebe den Preis, weil sie Infrastruktur zu Einlagerung und zur Trocknung haben, die die kleinen nicht haben. Damit können sie ihre Ware dann verkaufen, wenn es vernünftig ist und den Markt entzerren.

Wie wird ein typischer Großbetrieb auf das Capping reagieren?

Er wird seine produktivsten Flächen aus dem Mehrfachantrag herausnehmen und intensiv bewirtschaften. Bei einer entsprechend engen Fruchtfolge mit Kulturen mit dem höchsten Marktwert und dem geringsten Arbeitsaufwand, wird sich ein positiver Deckungsbeitrag ausgehen. Mit den mittleren Böden wird er in der GAP bleiben und das meiste aus der Kombination aus der Produktion, den Direktzahlungen und dem ÖPUL herausholen.  Die schlechtesten Böden wird er entweder verpachten oder sie, wenn sich niemand findet, verbuschen lassen. Sowohl die Intensivierung als auch die Bewirtschaftungsaufgabe sind aber nicht das Ziel des Green Deals.

Die Familie von Zeno Piatti-Fünfkirchen bewirtschaftet einen Gutsbetrieb mit rund 1.000 Hektar Ackerland im Weinviertel, sowie im angrenzenden Tschechien. Seit 2017 ist er Vizepräsident der Land & Forst Betriebe Österreich und dort für die Agenden der Agrarpolitik zuständig.

 

 

 

 

 

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