Betriebshilfe in Österreich
Linz, 24.04.2020 – Ein Schicksalsschlag ist schnell passiert. Etwa bei einem Schweinemast-Betrieb, wo zuerst die Eltern sterben, dann der Betriebsführer. Zurück bleibt eine junge Mutter mit drei Kindern und ohne landwirtschaftliches Wissen, die dringend Hilfe braucht. Oder nach einem Forst-Unfall, wo der alleinige Betriebsführer durch einen Beckenbruch vier Monate ausfällt. Seine 75-jährige Mutter kann die Arbeiten nicht allein leisten, auch sie braucht Hilfe. Die Maschinenringe und die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen sprangen in den letzten Jahren bei tausenden solcher Fälle ein. Dabei steigt die Zahl der benötigten Helfer-Stunden weiter an.
Risiko für schwere Fälle steigt
Es gibt immer weniger landwirtschaftliche Betriebe in Österreich, 2018 waren es 110.384 INVEKOS-Betriebe. Doch die Zahl der Fälle, in denen soziale Betriebshilfe nötig war, sank nicht. 2014 wurden 3.806 Hilfs-Fälle verzeichnet, 2018 waren es 4.692.
Das bedeutet auch, dass die Gefahr steigt, am eigenen Betrieb Hilfe zu brauchen. Stress und steigende Arbeitsüberlastung, kurze Zeitfenster durch Klimaveränderungen (Schönwetter, Niederschläge und Extremereignisse), neue Tierhaltungs-Formen, extreme Arbeitsspitzen (etwa beim Silieren) führen zu schwereren Unfällen. Am Betrieb stehen weniger Arbeitskräfte zur Verfügung als früher. Zunehmend sind viele Abläufe komplexer, die Technik ist komplizierter geworden. Daher können viele Eltern (Altbauern) die Aufgaben des Betriebsführers im Bedarfsfall nicht mehr übernehmen oder diese lernen.
Fälle und Stunden legten deutlich zu
Die sozialen Betriebshilfe-Stunden (Lohnarbeit, pauschale Betriebshilfe, soziale Betriebshilfe) betrugen 2014 laut SVS-Daten zirka 574.738 Einsatzstunden, 2018 waren es 835.766 Einsatzstunden. Die Maschinenringe betreuten 72 Prozent der reinen sozialen Betriebshilfe-Fälle (ohne Lohnarbeit und pauschale Betriebshilfe) und wickelten diese ab.
Während die Anzahl der Fälle seit 2014 um 22 Prozent gestiegen ist, hat sich die Anzahl der Stunden seit 2014 um 44 Prozent erhöht. Das heißt: Die Dauer der Fälle nimmt stark zu. Damit sind auch die einzelnen Betriebshelfer länger gebunden.
Reinhard Allerstorfer, Leiter Personalmanagement des Maschinenring Österreich: „Wir rechnen damit, dass die Einsätze auch in Zukunft länger dauern werden. Die Betriebsführer beziehungsweise die Betriebe sollten sich überlegen, was passiert, wenn eine wichtige Arbeitskraft für mehrere Monate
ausfällt. Das fängt damit an, dass auch eine zweite Person weiß wo der Traktorschlüssel hängt und reicht bis zum Wissen, wie die Melkanlage zu bedienen ist.“
Gespräche von SVS und Maschinenring zeigen, dass es eine neue Risikogruppe gibt: alleinstehende Betriebsführer. Fällt dieser aus, dann müssen nicht nur die Tiere versorgt, sondern auch unternehmerische Entscheidungen getroffen werden. Hier wäre ein Betriebsführer auf Zeit sinnvoll, der den gesamten Betrieb managt und z.B. auch Futtermittel einkaufen darf. Dafür braucht es in Zukunft Lösungen seitens SVS und Maschinenring.
Weniger Betriebshelfer verfügbar
Zusätzlich nimmt die Anzahl der Personen, die im Notfall einspringen können, ab. Denn wer auf einem Vollerwerbsbetrieb arbeitet kann daneben kaum als Betriebshelfer aushelfen. Und wer einen Nebenerwerbsbetrieb hat ist im Haupt-Job in Industrie, Gewerbe oder anderen Unternehmen so ausgelastet, dass ebenfalls keine Zeit übrigbleibt.
Allerstorfer dazu: „Hilfe aus der Nachbarschaft für ein bis zwei Wochen zu finden ist meist möglich. Wenn es vier Wochen dauert ist das schon schwieriger. Und wenn monatelang Betriebshilfe nötig ist, Spezialtechnik fürs Melken oder Füttern beherrscht werden muss und immer der gleiche Betriebshelfer kommen soll, dann wird es richtig knifflig. Wir organisieren oft zwei Betriebshelfer für einen Hof, z.B. jemanden fürs Melken, der andere kann den Futtermischwagen bedienen.“
Deshalb setzt der Maschinenring in Oberösterreich seit 2015 teilweise Dienstnehmer in der sozialen Betriebshilfe ein. Mittlerweile gibt es auch in den Maschinenringen Niederösterreich-Wien, Salzburg, der Steiermark und Tirol Dienstnehmer in diesem Bereich. Insgesamt decken 30 von 85 Maschinenringe einen kleinen Teil der sozialen Betriebshilfe-Einsatzstunden bereits mit angestelltem Personal ab. Wenn dieses auf einem landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt wird, fallen für den Einsatzbetrieb höhere Stundensätze an. Viele Landesregierungen in Österreich unterstützen die Einsatzbetriebe mit Zuschüssen, damit Betriebshelfer gestellt werden können.
Arbeit an künftigen Maßnahmen
Da der Maschinenring 72 Prozent aller sozialen Betriebshilfe-Fälle betreut arbeitet er gemeinsam mit der SVS an neuen Lösungen, die der zunehmenden Dauer der Fälle, dem Mangel an Helfern und der steigenden Komplexität gerecht werden.
Über den Maschinenring Österreich
1961 wurde der Maschinenring in Österreich als Verein zur bäuerlichen Selbsthilfe gegründet. Bis heute unterstützt er heimische Landwirte dabei, ihre Maschinen und ihre Arbeitskraft besser auszulasten: Indem sie gemeinsam Geräte nutzen. Und indem sie für andere Bauern arbeiten, für Kommunen, Unternehmen und Private. Denn mittlerweile umfasst der Maschinenring die drei Kernbereiche Agrar, Service und Personal. Zu den Kunden aus Landwirtschaft und Kommunen kommen auch Klein- und Mittelbetriebe im ländlichen Raum hinzu, österreichweit agierende Handels- und Infrastrukturunternehmen sowie Privatpersonen. Zuletzt arbeiteten rund 30.000 Menschen über die österreichischen Maschinenringe. Ihr gemeinsamer Jahresumsatz 2018 betrug EUR 351 Millionen.
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