
Beim Rotwein brennt der Hut
Der Boom des burgenländischen Weinbaus ist gebrochen. Rotwein, vor allem in Basisqualität, ist zum Ladenhüter geworden. Der angekündigte 200 Prozent-Zoll Donald Trumps lässt die Nerven flattern. STEFAN NIMMERVOLL im Gespräch mit Wein Burgenland-Obmann HERBERT OSCHEP.
Europaweit stöhnen Rotweinwinzer unter Überbeständen. Wie stellt sich die Situation im Burgenland dar?
Divers. Auf der einen Seite leiden wir unter dem internationalen Phänomen, dass von Haus aus weniger Alkohol und speziell weniger Rotwein getrunken wird. Schwere, holzlastige Weine haben ein doppeltes Problem am Markt. Wir brauchen nur schauen, was im Bordeaux los ist. Das ist natürlich auch im Burgenland, wo wir über 55 Prozent Rotweinsorten anbauen, ein Thema. In den Genossenschaften liegen noch einige Liter in den Kellern. Auf der anderen Seite geht es Winzern, die auf ihre Marke geschaut haben, nicht schlecht. Bei ihnen gibt es auch kein großes Plus mehr, aber sie halten in etwa das Vorjahr.
Sind damit die goldenen Zeiten nach dem EU-Beitritt für den burgenländischen Weinbau damit vorbei?
Nein. Nur die Rahmenbedingungen verändern sich. Es wird nicht leichter. Deshalb schauen wird, dass wir uns mit Werbekampagnen und Partnerschaften noch besser aufstellen. Bei der Stilistik ist gerade ein Veränderungsprozess im Laufen. Wir unterstützen das über die Wein Burgenland mit Marketingmaßnahmen. Und wir haben die Weintourismus Burgenland gegründet, wo wir ein Rekordübernächtigungsjahr gehabt haben. Der Wein spielt dabei eine immer größere Rolle.
Die Gerüchteküche brodelt. Wird es zu einer Insolvenzwelle innerhalb des burgenländischen Weinbaus kommen?
Das glaube ich nicht. Unsere 2.300 Winzerbetriebe sind großteils familiär geprägt und sind langsam gewachsen. Die richtig großen Weingüter kann man auf einer Hand abzählen. Vereinzelt gibt es aber Fälle, da haben Sie recht
Das Land Burgenland hat Sektflaschen angekauft, um eine Kellerei zu stützen. Diese ist nun zahlungsunfähig.
Der Betrieb Szigeti hat eine Schieflage erlitten. Wir haben ihn unterstützt und die Haftung mit den Sektflaschen besichert. Diese sind mittlerweile großteils von anderen Winzern abgenommen worden. Das Land hat bei der Insolvenz kein Geld verloren, auch wenn es medial anders diskutiert wurde.
Wird sich die Landesholding auch an Weingütern oder Genossenschaften beteiligen, falls es dort zu wirtschaftlichen Engpässen kommen sollte?
Derzeit ist das nicht notwendig und auch nicht geplant.
Politisch gibt es im Burgenland eine Sondersituation. Sie sind Büroleiter des SPÖ-Landeshauptmannes, ihr Weinbaupräsident Andreas Liegenfeld war ÖVP-Landesrat, Landwirtschaftskammerpräsident Niki Berlakovich ÖVP-Landwirtschaftsminister. Wie geht das zusammen?
2020, nach der Landtagswahl, bei der Hans Peter Doskozil die absolute Mehrheit errungen hat, haben wir entschieden, die Weinstruktur nicht in der Landwirtschaft zu belassen. Die Weinwirtschaft ist zu den Agenden des Landeshauptmannes gewandert. In Verbindung mit Tourismus und Kunst und Kultur haben wir einen Block geschaffen, bei dem wir der Meinung waren, dass er den Weinbauern etwas bringt. Die letzten fünf Jahre haben gezeigt, dass das eine vernünftige Entscheidung war. Seit einem Jahr bin ich einstimmig gewählter Obmann der Wein Burgenland, obwohl da außer mir nur Bauernbund-, Wirtschaftsbund- und Landwirtschaftskammerfunktionäre drinnen sind. Zum Start war ich ein bunter Hund in der Agrarstruktur. Wenn man von außen kommt, muss man sich beweisen. Ich glaube, das ist gelungen. Wir akzeptieren uns gegenseitig und haben alle im Sinn, gemeinsam etwas für den Wein im Burgenland weiterzubringen.
Berlakovich ist auch in der Europäischen Bauernvertretung COPA Vizepräsident. Dort wird sehr viel über Maßnahmen gegen die Rotweinkrise nachgedacht. In der jüngeren Weinbauhistorie hat es Rodeprämien und Destillationsmaßnahmen gegeben. Muss so etwas wieder kommen?
Die ersten Ergebnisse der High Level Group der Europäischen Union suggerieren, dass die Länder, wenn sie das wollen, Fördermittel für Maßnahmen ausgeben können. Es werden aber keine zusätzlichen Budgets garantiert. Es brennt der Hut, in den nächsten zwei, drei Monaten müssen sichtbare Ergebnisse am Tisch liegen.
Was stellen Sie sich vor?
Ich bin kein großer Freund von Rodungsprämien. Wenn jemand roden will, tut er das sowieso. Auch eine Verspritungsprämie ist nicht ideal. Dass Geld dafür bezahlt wird, damit Wein weggeschüttet wird, ist schwierig zu argumentieren. Bis zu einem gewissen Grad werden solche Maßnahmen aber diskutiert werden müssen. Gerade in den Genossenschaften liegen Millionen Liter in den Kellern.
Was kann das Land Burgenland tun?
Wir sind im Ausschuss der Regionen selbst aktiv geworden und werden Anfang April den Vorsitz in einer Intergroup Wine, die wir aus dem Boden gestampft haben, übernehmen. Das Piemont wird Stellvertreter sein. Auch Regionen wie Rioja und Rheinland-Pfalz sind vertreten. Abgesehen von den erwähnten Notmaßnahmen bin ich ein Freund der Offensive, wie die Stärkung des Weintourismus und des Ab Hof-Verkaufs. Da wird sich das Land engagieren.
Aus dieser Perspektive kann man es fast schon als Glück bezeichnen, dass die Weinernte 2024 mengenmäßig so schwach ausgefallen ist.
Es hat uns nicht geschadet, dass die Weinernte die geringste seit 20 Jahren war.
Besonders unter dem Marktdruck leiden die Traubenverkäufer, die selber keinen Wein produzieren. Wird man die in die nächste Generation retten können, wenn die Genossenschaften Probleme haben und es am freien Markt keinen Bedarf gibt?
Es ist wichtig, dass wir nicht nur für die Stars da sind. Wir müssen an den Rahmenbedingungen arbeiten und schauen, dass wir den Preis wieder in die Höhe bringen. Es gibt Regionen in Europa, wie zum Beispiel Südtirol, die eine starke Genossenschaftsstruktur haben und gute Preise zahlen. Die haben aber auch einen top-funktionierenden Weintourismus. Deshalb poche ich so sehr darauf, weil am Ende nicht nur die Topwinzer den Wein teurer verkaufen, sondern auch die Genossenschaften etwas davon haben sollen.
Die Traditionsweingüter in Niederösterreich und Wien wollen den Mehrwert über die Riedenklassifizierung schaffen. Das System soll nun dem gesamten Weinbau übergestülpt werden. Im Burgenland ist man davon nicht begeistert.
„Nicht begeistert“ ist zu locker ausgedrückt. Wir halten das für den falschen Weg. Wir wollen, weil wir eben kleinstrukturierter sind und die Genossenschaften mitnehmen wollen, die gemeinsame Marke Burgenland voranbringen. Daher ist es falsch, von Gesetzes wegen, Erste oder Große Lagen zu definieren. Damit nimmt man jungen Winzern die Chance, weil sie gar nicht die Möglichkeit haben, in diese Klassifizierung hineinzukommen. Außerdem hat sich die Natur in den letzten 20 Jahren mit dem Klimawandel massiv verändert. Wer garantiert, dass das, was heute Große Lage ist, in ein paar Jahrzehnten immer noch so ist?
Bringt die Flucht in den Weißwein etwas?
Es gibt derzeit den Trend. Das Burgenland war aber sowieso nie ein reines Rotweinland, auch wenn es nach außen hin so wahrgenommen wird. Wir haben einen Weißweinanteil von 45 Prozent. Der wird steigen. Am Ende des Tages werden wir gleich viel Weiß wir Rot haben.
Die Anti-Alkohol-Bewegung verteufelt den Konsum auch geringer Mengen. Ist der Alkohol der neue Tabak?
Das verfolge ich mit Kopfschütteln. Wenn im ORF der Leiter des Anton Proksch-Instituts sagt, dass Heroin dem Körper nichts macht, jeder Schluck Alkohol aber Zellgift ist, müssen wir uns auf die Füße stellen. Diese Diskussion ist Wahnsinn. Da haben wir als Vertreter der Weinbranche zu lange zugeschaut. Es heißt aufzuzeigen, dass moderater Weinkonsum sicher nicht schädlich ist und dass Gesundheit auch das Wohlbefinden und die Geselligkeit umfasst.
Sind alkoholfreie Weine ein Ausweg?
Ich akzeptiere, dass das ein Nischenprodukt ist, wo einige Winzer eine Marktlücke schließen. Ich bin aber sehr skeptisch. Irgendwo in Deutschland mit viel Energie zu entalkoholisieren, ist nicht nachhaltig.
Herbert Oschep stammt ursprünglich aus St. Michael im Lungau und ist studierter Historiker und Politologe. Er war Pressesprecher von Landeshauptmann Hans Niessl und ist Büroleiter von dessen Nachfolger Hans Peter Doskozil. Seit 2022 ist er Obmann des Weintourismus Burgenland, seit März 2024 auch der Wein Burgenland.
www.weinburgenland.at
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