Aktiv mit der Zukunft befassen

Das diesjährige RINDERZUCHT AUSTRIA-Seminar stand ganz im Zeichen der Nutzungsdauer. Genau vor dreißig Jahren wurde dies Teil der routinemäßigen Zuchtwertschätzung. Damit begann auch die Entwicklung neuer Merkmale für die Rinderzucht.

Kurz darauf wurden Milch- und Fitnessmerkmale gemeinsam im wirtschaftlichen Gesamtzuchtwert berücksichtigt und der Grundstein für weitere Merkmale im Zuchtziel gelegt. Österreich war weltweit jenes Land, das die routinemäßige Zuchtwertschätzung für die funktionale Nutzungsdauer als erstes einführte.

Erfolgskonzept mit Nachhaltigkeit

RINDERZUCHT AUSTRIA-Obmann Sebastian Auernig (im Bild) freute sich über die Teilnahme so hochkarätiger Expert:innen. „Das zeigt das große Interesse an spannenden Entwicklungen, wissenschaftlichen Fortschritten und der Weiterentwicklung unserer heimischen Rinderzucht. Gerade weil die Landwirtschaft und im Besonderen die Rinderzucht tief in Traditionen verwurzelt ist, ist es umso wichtiger, dass wir uns aktiv mit der Zukunft auseinandersetzen. Mit Stolz können wir auf die damalige Entscheidung zurückblicken, die Nutzungsdauer in die Zuchtwertschätzung aufzunehmen. Aber vor allem auch darauf, dass wir es geschafft haben, über die Jahre hinweg die praktische Rinderzucht mit der Wissenschaft und Forschung erfolgreich zu vernetzen und weiterzuentwickeln. Ich bin überzeugt, dass diese Zuchtentscheidungen nicht nur den praktizierenden Landwirt:innen ökonomische Vorteile gebracht haben, sondern auch mit bemerkenswertem Weitblick in Richtung Tierwohl gedacht wurden. Hätten wir diese Eigenschaften damals nicht entwickelt, müssten wir sie heute erfinden.“

Nutzungsdauer steht auch für Tierwohl und Tiergesundheit

Die Verbesserung der Tiergesundheit und des Tierwohls ist genau jener Weg, den die österreichische Rinderzucht vor drei Jahrzehnten eingeschlagen und damit den Grundstein einer nachhaltigen Rinderzucht gelegt hat. Krankheitsbedingte Leistungseinbußen und vorzeitige Abgänge verursachen Tierleid und höhere Aufzuchtkosten wirken sich indirekt auch auf die Emissionen aus der Rinderhaltung aus. Dieser Merkmalskomplex wurde im Laufe der Jahre sowohl in der Datenerfassung als auch methodisch im Rahmen verschiedener Projekte und Initiativen weiterentwickelt und neue Merkmale in den Gesamtzuchtwert aufgenommen.

Nutzungsdauer über die Jahre hinweg stabil

Die Nutzungsdauer der heimischen Kontrollkühe liegt aktuell bei 4,01 Jahren und damit erstmals seit dem Jahr 2000 wieder über vier Jahre. In den letzten 20 Jahren hat sich diese um 160 Tage verlängert. Klingt wenig, aber in Bezug auf die negative Korrelation zur Verbesserung der Milchleistung doch ein wesentlicher Zuchtfortschritt. Das durchschnittliche Lebensalter einer Kuhr bis zu deren Abgang liegt aktuell bei 6 ½ Jahren. Geht man von der natürlichen Lebensdauer einer Kuh aus, so sagt die Wissenschaft in etwa 20 Jahre. Zum Vergleich: die aktuell älteste Kuh, die noch gemolken wird und unter Leistungsprüfung steht, wird im Mai 22 Jahre alt!

Immer mehr Daten zur Verfügung

Im Zeitalter der Genomik ist es auch jetzt noch von Bedeutung, zuverlässige Daten zu erhalten. Seit dem Projekt „Gesundheitsmonitoring Rind“ im Jahr 2006 können zusätzlich wertvolle Diagnosedaten von Tierärzt:innen bzw. Beobachtungen von Landwirt:innen in die Zuchtwertschätzung einfließen. Eines der wesentlichen Fundamente der Rinderzucht sind die Klauen und deren Gesundheit mit wesentlichen Auswirkungen auf die Nutzungsdauer. Mit einer breiten Datenerfassung über die App Klauenprofi stehen auch hier wertvolle Informationen für die ZWS zur Verfügung. Mit der Einführung der Genomischen Zuchtwertschätzung konnte die genetische Verbesserung der Tiergesundheit beschleunigt werden.

Erfolg durch internationale Zusammenarbeit

Die österreichische Rinderzucht arbeitet spätestens seit 2001 im Rahmen des Rinderdatenverbundes RDV und der gemeinsamen Zuchtwertschätzung intensiv mit den internationalen Partnern daran, die züchterische Verbesserung der Nutzungsdauer und anderer Merkmale bzw. der Nachhaltigkeit ständig weiterzuentwickeln. Im Rahmen der gemeinsamen Zuchtwertschätzung werden dabei alle Kühe aus Deutschland, Österreich bzw. beim Fleckvieh auch aus Tschechien, Italien und der Slowakei einbezogen.

Nutzungsdauer vermindert Treibhausgasemissionen

Unter dem Aspekt einer langen Nutzungsdauer und damit verbunden auch mit einer nachhaltigen Milchproduktion ist dieses Thema vor allem in Bezug auf die Diskussion rund um die Treibhausgasemissionen in der Tierproduktion interessant. Genau hier ist das Rinderland Österreich aufgrund seiner züchterischen und vor allem der topografischen Voraussetzungen die Nummer eins in Europa. Der CO2-Ausstoß je kg Milch liegt hierzulande etwa ein Viertel unter dem Durchschnitt der Europäischen Union. In diese Richtung arbeitet auch das von der RINDERZUCHT AUSTRIA initiierte Projekt NEU.rind, das aktuell Einzug in die heimische Milchproduktion findet und einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigeren Milchproduktion liefern wird. So haben nach ersten Auswertungen die top zehn der NEU.rind-Betriebe in Bezug auf eine längere Nutzungsdauer einen Rückgang der Treibhausgasemissionen um 36 % pro Hektar bzw. einen Rückgang um 9 % pro kg energiekorrigierte Milch.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Berücksichtigung der Nutzungsdauer im Zuchtziel wirkt sich auch auf die Lebensleistung aus. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Erstmals gibt es mehr als 1.000 neue Hundertausendliter-Kühe in Österreich. Der Spruch „Züchten heißt, in Generationen zu denken“ trifft hier besonders zu, denn der Grundstein für außergewöhnliche Kühe wurde bereits vor einigen Jahrzehnten gelegt. Die gesamte Lebensleistung der Kontrollkühe bis zu ihrem Abgang aus den Betrieben betrug in diesem Zeitraum durchschnittlich 33.284 kg Milch – ein Anstieg um 750 kg im Vergleich zum Vorjahr. Die Auswirkungen auf die Praxis sind sehr vielfältig, da es unterschiedlichste Betriebsstrategien gibt. Eine klare Aussage der Expert:innen war, dass eine durchschnittliche Nutzungsdauer von mindestens 5 Laktationen angestrebt werden sollte. Daher ist das Konzept der Nutzungsdauer mit den vielen verschiedenen Einflussfaktoren auch dreißig Jahre später nach wie vor noch immer modern. Ein sehr großes Potential liegt vor allem noch in der Optimierung des Managements auf den Betrieben, wie aus den Erfahrungen der Arbeitskreisberatung berichtet wurde.

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