In jeder Sparte über Strukturen nachdenken

Die Turbulenzen bei der BayWa haben auch bei der Raiffeisen Ware Austria für Aufregung gesorgt. Generaldirektor JOHANNES SCHUSTER und Vorstand CHRISTOPH METZKER erklären, wie der Rückkauf der Anteile gelungen ist und welche Baustellen es im RWA-Lagerhaus-Verbund gibt.

Herr Schuster, sie sind zu einem Zeitpunkt in die RWA eingestiegen, als die Krise der BayWa bereits akut war. Haben Sie erwartet, dass das folgende Jahr derart herausfordernd sein würde?

Schuster: Damit habe ich gerechnet. Der 12. Juli 2024 war ein herausfordernder Tag, und wir mussten fokussieren: Ende November, Anfang Dezember 2024 haben wir dann schon eine sehr klare Sicht auf die Entwicklungen gehabt und gewusst, was auf uns zukommt. Große Überraschungen danach hat es nicht gegeben, auch wenn es sehr, sehr viel Arbeit war.

Welche Fehler hat die Unternehmensleitung in Bayern denn gemacht?

Schuster: Mit der Weisheit von heute ist der Grund für die BayWa-Krise schnell ausgemacht: Sie ist in der Zeit der Nullzinsphase zu aggressiv mit fast ausschließlich Fremdkapital gewachsen. Das Geld hat damals nichts gekostet. Seit Juli 2022 hat sich die Zinslandschaft auch im Euro-Bereich ganz dramatisch geändert. Dann muss man als Unternehmen in der Lage sein, sich die hohe Verschuldung und die Zinsen leisten zu können. Das hat der BayWa große Probleme beschert.

Wie gefährlich war denn die Situation für die RWA?

Metzker: Gefährlich ist der falsche Ausdruck. Wir waren zunächst Teil des Restrukturierungsprojektes, weil wir damals auch noch Teil der BayWa-Gruppe waren. Als österreichischer Ast hat der RWA-Lagerhaus-Verbund ein sehr positives Zeugnis einer Vielzahl von Unternehmensberatern ausgestellt bekommen. Als das Konzept für die nächsten Jahre vorgelegen ist, haben wir gesehen, dass eine Entschuldung nur durch die Veräußerung von verschiedenen Unternehmensteilen geschehen kann; darunter auch die RWA-Anteile. Der Worst Case wäre gewesen, dass diese ein internationaler Investment-Fonds übernimmt. Daher wollten wir den Prozess im Sinne der Lagerhaus-Genossenschaften und der bäuerlichen Betriebe in den Genossenschaften als Eigentümer so schnell und proaktiv wie möglich selbst gestalten. Das Kapital in der Kürze der Zeit aufzustellen, war ein gemeinsamer Kraftakt. Seit Mai sind wir wieder im hundertprozentigen Eigentum der österreichischen Lagerhäuser – und das ist gut so.

Kann man die Summe benennen, die dafür notwendig war?

Schuster: Wir haben für den Rückkauf 160 Mio. Euro aufgewendet. Binnen weniger als einem Jahr werden wir die dafür aufgenommenen Kredite vollständig getilgt haben, in erster Linie durch den Verkauf nicht betriebsnotwendiger Assets.

Die da wären?

Schuster: Die 50-Prozent-Beteilung an der Austria Juice mit der Agrana ist schon in der Zeitung gestanden. Obwohl das Thema ursprünglich aus unserer RWA-Expertise entstanden ist, passen Fruchtsaftkonzentrate mittlerweile besser zum Geschäftsfeld der Agrana, die unsere Anteile gekauft hat. Außerdem haben wir uns von der Hälfte des Aktienpakets, das wir an der Raiffeisen Bank International gehalten haben, getrennt. Der dritte Teil werden Immobilien sein.

Wie sehr schränkt die Situation die RWA in ihrer operativen Handlungsfähigkeit ein?

Metzker: Aktuell gar nicht. Wären wir länger bei der BayWa geblieben wären, hätten uns die Restrukturierungsmaßnahmen eingeschränkt. Umso wichtiger war es, dass wir so schnell wie möglich eigenständig geworden sind.

Auch die einzelnen Lagerhaus-Genossenschaften haben den Rückkauf finanziell mitgetragen. Wie lange wird es brauchen, bis diese den Aderlass verdaut haben?

Schuster: Die Primärgenossenschaften aus den vier Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und Burgenland haben knapp 40 Mio. Euro für den Rückkauf der RWA AG aufgewendet. Wir als RWA sind dahinter, so rasch wie möglich wieder Dividenden in Richtung Lagerhaus-Genossenschaften ausschütten zu können, nicht zuletzt auch als Dank für die riesengroße und nicht selbstverständliche Unterstützung.

Steigt dadurch der Restrukturierungsdruck in der Raiffeisen-Familie? Wird es weitere Genossenschafts-Zusammenlegungen geben?

Metzker: Klar ist, dass wir einen massiven Strukturwandel in der Landwirtschaft sehen. Die Betriebe werden größer und professioneller. Auch auf Industrieebene sehen wir einen großen Konsolidierungsprozess. Beim Pflanzenschutz hatten wir vor 20 Jahren 15 Partner zu Jahresgesprächen am Tisch sitzen. Jetzt sind es vier. Wir als RWA-Lagerhaus-Verbund können in der Mitte nicht sagen, das betrifft uns nicht. Als Dachorganisation werden wir uns effizient und schlank aufstellen. Auch die Lagerhäuser werden über ihre Strukturen in jeder Sparte nachdenken müssen, um den Anforderungen der neuen Landwirte-Generation als professioneller Partner gegenüberstehen zu können

Wie weit wird denn das nächste Lagerhaus im schlimmsten Fall vom Hof entfernt sein?

Metzker: Wir werden uns sicher nicht aus Regionen zurückziehen. Der Versorgungsauftrag für die Landwirte liegt in unserer DNA. Mit neuen digitalen Angeboten stellt sich aber schon die Frage, wie weit die nächste Lagerhaus-Filiale weg sein kann und darf? Am Beispiel des Düngerhandels: Vor 20 Jahren haben sich die Lagerhäuser im Juni Ware bestellt und über den Winter liegen lassen. Im Frühjahr hat sich der Landwirt die dann im Lagerhaus in den Streuer füllen lassen. Heutzutage bestellt er über FarmHedge und bekommt die Big Bags direkt mit dem LKW auf den Hof geliefert.

Schuster: Wir wollen mit der Mär aufräumen, dass das Lagerhaus überall zusperrt. Stand heute haben wir in Österreich über 1.000 Standorte, die Hälfte davon mit agrarischem Fokus. Rechnerisch findet man also in jeder zweiten Gemeinde ein Lagerhaus. Nach der katholischen Kirche und der Post gibt es keine Organisation, die so eine flächendeckende Präsenz aufweist wie der Lagerhaus-Verbund.

Auch innerhalb der RWA gibt es ein Sorgenkind: Das Lagerhaus Technik Center ist in Schieflage geraten, die Verkaufszahlen der Hauptmarke John Deere sind eingebrochen. Wie wird es da weitergehen?

Metzker: Der Markt ist nach dem Hype mit den Förderungen bei Corona massiv eingeknickt. Uns hat weh getan, dass unsere Pipeline an Bestellungen sehr voll war und die Maschinen aufs Lager gekommen sind, als die Nachfrage bereits weggebrochen ist. Diese schwierige Konstellation haben wir dazu genutzt, um uns organisatorisch neu aufzustellen und den Vertrieb und die LTC-Werkstätten wieder an die Lagerhaus-Genossenschaften zu übertragen. Die Landtechnik ist Teil unseres Kerngeschäftes und wird es auch bleiben.

Also stimmt das Gerücht nicht, dass John Deere die Geduld verlieren und die Zusammenarbeit beenden könnte?

Metzker: Wir haben bis über 2028 hinaus ein ganz klares Commitment, dass die Neustrukturierung mitgetragen wird. Man ist gewillt, gemeinsam mit uns Marktanteile zurückzuholen. Man hat aber auch gemerkt, dass man in Mittel- und Zentraleuropa von der Modellpalette und vom Pricing nicht immer ganz dort war, wo andere Marken waren.

Im Agrar-Bereich ist das Geschäft mit den Getreidebauern einer ihrer wichtigsten Zweige. Wie stark leiden Sie denn unter den miesen Preisen, die für Ackerfrüchte momentan gezahlt werden?

Schuster: Es leidet der produzierende Landwirt, leiden die Lagerhaus-Genossenschaften und leidet die RWA. Vom Höhepunkt 2022 mit hochattraktiven Agrarpreisen sind wir dramatisch weit weg; mitunter fast um die Hälfte. Nichtsdestotrotz hat dieses Geschäftsfeld unser besonderes Augenmerk. Alleine 2025 haben wir für die Sommer- und Herbsternte über 100 Mio. akkontiert. Das Risiko für die Ware ist bei uns und unsere Aufgabe ist es, sie in einem herausfordernden Umfeld mit weiterhin stark fallenden Agrarpreisen zu vermarkten.

Die RWA ist auch in Osteuropa sehr aktiv. Wie stehen Sie denn zu den Importen von Agrarprodukten aus der Ukraine?

Metzker: Bei agrarischen Produkten wie Getreide unterstützen wir das nicht, um unsere Eigentümer abzusichern. Es zählt aber auch der Dünger dazu. Den werden wir sehr wohl brauchen, um die österreichische Landwirtschaft vor allem mit Stickstoff versorgen zu können. Das schaffen wir mit unserer eigenen Produktion nicht. Der Rohstoff dafür ist Gas, das auch aus der Ukraine und aus Russland kommt. Deshalb werden wir Beziehungen auf agrarpolitischer Ebene brauchen. Mit Rosinenpicken – das Getreide und den Zucker aus der Ukraine lassen wir nicht herein, der Dünger wäre aber schon gut – werden wir nicht durchkommen.

Die Bausparte kann das fehlende Geschäft im Getreidehandel wohl auch nicht abfedern.

Schuster: Derzeit nicht. Das ganze Haus- und Garten- sowie Bauhandelsgeschäft brauchen wir nicht schönreden. Da war in der aktuellen Konjunktur wenig Rückenwind, auch wenn wir bei Baustoffen erste positive Tendenzen nach oben sehen.

Welche Geschäftsbereiche sind denn noch profitabel?

Schuster: Aufgrund unseres großen Marktanteils ist das agrarische Inputgeschäft für uns weiterhin zentral. Da sind wir, zumindest vom Umsatz her, nicht unzufrieden. Die Bereiche, in denen wir als RWA eine tiefere Wertschöpfungskette abdecken, wie zum Beispiel Saatgut und Futtermittel, entwickeln sich gut. In den Lagerhaus-Genossenschaften zeigt unter anderem der Dienstleistungsbereich im Baunebengewerbe und in den handwerklichen Gewerken weiterhin positive Tendenzen. Sanierung und Renovierung haben zuletzt wieder deutlich an Bedeutung gewonnen.

Was würde es brauchen, um wieder in die Erfolgsspur zu kommen?

Schuster: Das Stemmen der bisher größten Transaktion in unserer Unternehmensgeschichte ist durchaus ein Beweis, der verdeutlicht, wie wirtschaftlich erfolgreich die RWA, der Lagerhaus-Verbund und deren Eigentümer sind. Das will ich nicht kleinreden. Wir werden weiterhin unsere Hausaufgaben machen. Die Liste ist eine lange. Wir kennen sie. Jetzt geht es darum, dass wir sie konsequent abarbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Ziffern beim ersten konjunkturellen „Mailüfterl“ wieder besser ausschauen werden.

Metzker: Wir müssen in der RWA schlank, professionell und effizient unsere Aufgaben erledigen. Es wird aber auch wichtig sein, dass die Lagerhaus-Genossenschaften ihre Mitglieder mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken und mit einem perfekten Portfolio bespielen. Wenn wir auf unser Kerngeschäft fokussieren und enger am Kunden sind, dann wird auch die Versorgung des ländlichen Raumes davon profitieren.

Interview: Stefan Nimmervoll

Der Beitrag In jeder Sparte über Strukturen nachdenken erschien zuerst auf Blick ins Land.

118MATK, Agrarpolitik, BLICK INS LAND vor Ort, Raiffeisen; Lagerhaus; RWA; Schuster;Metzker

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