Spaßettln und Unnötigkeiten

Salzburg ist Österreichs Bio-Bundesland Nummer Eins. Zugleich sind dort aber auch die meisten Betriebe aus der biologischen Landwirtschaft ausgestiegen. STEFAN NIMMERVOLL war bei zwei Pionieren, die nach 30 Jahren ade gesagt haben.

Leicht hat sich Karl Golleger die Entscheidung nicht gemacht. Immerhin ist sein Vater 1991 einer der Vorreiter der biologischen Landwirtschaft in Salzburg gewesen. Und dennoch hat der Mutterkuh- und Brillenschaf-Halter aus Großarl per 31.12. 2023 nach mehr als 30 Jahren gekündigt. Der Schritt war wohl überlegt. Denn für die Einsteller, die er verkauft, bekommt er ohnehin nicht mehr, wenn sie biologisch zertifiziert sind. Und bei dem Frischfleisch, das er an die Hotels im Tal liefert, sei Bio nicht wirklich wichtig. „Da ist die Regionalität entscheidend“, sagt Golleger. Der Mais, den er als Futter einsetzt, ist zuletzt empfindlich teurer, die Flächenprämie für die 10,5 Hektar Grünland hingegen weniger geworden. Der Bauer kann sie nun mit der Naturschutzprämie im ÖPUL gut ausgleichen. Den Hauptteil der Förderungen macht, wie bei so vielen Höfen im Innergebirg, ohnehin die Ausgleichszahlung aus. „Wir sind daher zu der Überzeugung gekommen, dass es für die paar hundert Euro mehr nicht dafürsteht, sich kontrollieren und fuxen zu lassen“, sagt er.

Ähnlich sieht es Josef Schwarzenbacher aus Lungötz im Tennengau. Seine Familie melkt 16 Pinzgauer-Kühe. Auch das Rathgebgut war seit 30 Jahren Bio und ist es seit Anfang 2023 nicht mehr. „Wir wären gerne dabei geblieben. Aber wir müssen auch rechnen. Es zahlt sich nicht mehr aus.“ Für die Kühe habe sich ohnehin nichts verändert, außer dass das Kraftfutter jetzt konventionell ist. „Es hat sich noch keine beschwert“, bringt es Schwarzenberger auf den Punkt. Er nennt zwei große Argumente, die ihn zum Umstieg bewegt haben: Einerseits kann er seinen Tieren nicht täglich Auslauf bieten, wie es seit 2020 vorgeschrieben ist. „Wenn ich das bei nassen Bedingungen mache, kann ich am Feld im nächsten Jahr Erdäpfeln anbauen.“ Andererseits hätte er zum deutschen Bioverband Naturland gehen müssen, weil das die Salzburg Milch so vorgeschrieben hat. Den komplizierten Vertrag wollte er nicht unterschreiben, zumal der Preisunterschied zwischen biologischer und konventioneller Milch kleiner geworden ist. „Auch meine Nachbarn sind deshalb ausgestiegen.“

Golleger und Schwarzenbacher sind beileibe keine Ausnahmen. Von 2022 auf 2023 sind die Biobetriebe österreichweit im Saldo um 933 oder vier Prozent zurückgegangen. Salzburg, das Biobundesland Nummer Eins, hat mit rund 250 Höfen den bei weitem größten Anteil an Aussteigern zu verzeichnen. „Die Ursache ist die Verkettung mehrerer Umstände“, meint der Geschäftsführer von Bio Austria Salzburg, Andreas Schwaighofer, „maßgeblicher Auslöser war aber auch das neue ÖPUL-Förderprogramm mit dem modularen System, in dem die Bio-Maßnahme mit neuen zusätzlichen Auflagen nicht attraktiv genug gewesen ist.“ Die Spreizung zwischen Bio und den niederwertigeren kombinierbaren Maßnahmen sei zu gering. „Mehr Auflagen und weniger Förderung ist selten gut. Da sind einige Spaßetteln und Unnötigkeiten dazugekommen“, kritisiert Schwaighofer einen bürokratischen Wildwuchs.

Salzburgs Agrarlandesrat Josef Schwaiger sieht eine Entwicklung, die „natürlich schmerzt und vor allem ein deutliches Alarmsignal ist.“ Es reiche nicht, sich hohe Bio-Ziele zu stecken, ohne die nötigen Rahmenbedingungen bereitzustellen. „Mittlerweile ist der Bogen bereits überspannt. Ich nehme mich nicht aus der Verantwortung, ganz im Gegenteil. Aber ich sage auch ganz klar: Da ist vor allem Brüssel gefordert.“ Schwaiger fordert dort praxistaugliche Regelungen und die nötigen finanziellen Ressourcen ein. Ein Ausstieg aus der Bio-Förderung bedeute aber nicht automatisch, dass die Betriebe auch mit Bio aufgehört haben. „Großteils haben sie nach wir vor einen durchgehenden Kontrollvertrag.“ Sein Bundesland sei weiterhin das Bioland Nummer Eins in Österreich. Zumindest die Biofläche sei nach vorläufigen Zahlen fast gleich geblieben. „In Salzburg zeigt sich aber im Speziellen, dass die Luft dünner wird, je weiter man oben ist.“

Was eine zielgerichtete Landespolitik mit sich bringen kann, sieht man laut Verbands-Geschäftsführer Andreas Schwaighofer im Burgenland, das ja die „Bio-Wende“ ausgerufen hat. „Wir hoffen auf eine gute Zusammenarbeit mit unserem Landesrat, damit zum Beispiel auch die Großküchen biologische Produkte verwenden.“  Schwaighofer will auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig nicht aus der Verantwortung lassen. Das Bio-Aktionsprogramm sei eine nette Zusage. „Jetzt sind aber klare Worte in der Förderpolitik notwendig.“ Es brauche mehr Flexibilität bei der Weidemaßnahme und weniger Aufzeichnungsverpflichtungen, um Bio wieder attraktiver zu machen. Bisher sei es außerdem immer möglich gewesen, auch in der Periode in die nächsthöhere Maßnahme einzusteigen. Letztlich spürt Bio Austria den Ausstieg auch in seinen Finanzen, weil Verbandsbeiträge wegfallen. „Heuer haben wir noch ein Budget zusammengebracht und auch niemand freisetzen müssen.“ Man habe deshalb schon das Gespräch mit Josef Schwaiger gesucht, um Lösungen zu finden.

Grundlegende Realitäten kann aber auch die Politik nicht wegzaubern. So ist Josef Schwarzenbacher bewusst, dass es in Deutschland viel mehr Biomilch als zuvor gibt. „Die deutschen Konsumenten werden zuerst auf ihre eigenen Erzeugnisse greifen.“ Er will nicht alles schlechtreden. „Ich schaue auch ohne Bio positiv in die Zukunft.“ Wenn die Rahmenbedingungen wieder passen, schließt er eine erneute Neuausrichtung nicht aus. Auch Karl Golleger kann sich durchaus vorstellen, wieder in Bio einzusteigen, auch wenn er dafür wieder eine Umstellungsphase durchmachen müsste. „Wenn die Förderungen weiter hinaufgegangen wären, wären wir ja geblieben. Schauen wir einmal, wie es uns in fünf Jahren geht. Die Verantwortlichen sollen sich einmal überlegen, wie sie uns das wieder schmackhaft machen.“

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