Offener Brief des Kärntner Almwirtschaftsvereins

 

Herr Christian Pichler, so geht man nicht mit Kärntens Hirten um! Herr Pichler, als Wolfsbeauftragter des WWF steht es ihnen zu, die Meinung ihrer Organisation zum Thema „Wolf“ nach außen zu vertreten. Mit ihren Aussagen vom 3.6.2022 haben sie jedoch den Bogen überspannt, indem sie eine besonders wertvolle Berufsgruppe, nämlich die Hirten, in unserem Bundesland pauschal verunglimpfen und beleidigen. In einem Artikel auf „www.5min.at“ werden Sie unter anderem mit folgenden Sätzen zur Situation von Wolfrissen auf Kärntens Almen zitiert: „In der Praxis scheinen jedenfalls viele Hirten ihre Aufgaben auf der Alm aber locker anzugehen und eher in Urlaubsstimmung zu sein.“ „Irgendwo einen Salzleckstein zu deponieren, sei zu wenig.“

Herr Pichler, wir müssen Ihnen unterstellen, dass Sie keine Ahnung von den Leistungen haben, die Hirten auf Kärntens Almen tatsächlich vollbringen! Die tägliche Arbeit als Hirte auf einer Alm ist zeitaufwändig, körperlich fordernd und mit vielen Entbehrungen verbunden. Ihre Arbeiten verrichten Hirten tagtäglich, auch am Wochenende und an Feiertagen und bei jeder Witterung in teils unwegsamem Gelände. Bei Schlechtwetter kommt der Beaufsichtigung des Weideviehs dabei eine noch größere Bedeutung zu. Die richtige Beweidung der Almflächen trägt nachgewiesenermaßen zu einer besonders hohen Artenvielfalt auf diesen Flächen bei, rückläufige Auftriebszahlen bzw. die Aufgabe der Bewirtschaftung führen auf Almen zwangsläufig zur Verbuschung und Verwaldung, die Biodiversität dieser Flächen nimmt ab. Damit tragen Hirten mit ihrer Arbeit auch wesentlich zur Erhaltung der offenen Kulturlandschaft auf Almen bei, die Freizeitnutzer und Touristen zwar schätzen aber oft als selbstverständlich ansehen.

Auf Sennalmen werden zudem Lebensmittel in Handarbeit erzeugt, die einen besonders hohen gesundheitlichen Wert aufweisen. Das Weidevieh erfährt nicht zuletzt durch die Arbeit der Hirten die höchste Stufe an artgerechter Tierhaltung, die unseren Nutztieren geboten werden kann. Haben diese Leistungen für eine Naturschutzorganisation wie den WWF keinen Stellenwert? Für den Kärntner Almwirtschaftsverein kann diese tägliche Arbeit auf den Almen gar nicht hoch genug bewertet werden, Hirten verdienen von uns allen Respekt und höchste Anerkennung. Wir organisieren deshalb auch gemeinsam mit dem LFI Kärnten jährlich einen 5-tägigen Grundkurs für Almpersonal, in den letzten Jahren fand zusätzlich auch noch ein Aufbaukurs statt. Wir wollen damit nicht nur eine fundierte Ausbildung anbieten, sondern auch die Anzahl an Hirten auf unseren Almen weiter erhöhen, was in den letzten 7 Jahren auch gelungen ist (100 zusätzliche Hirten seit 2014 auf Kärntens Almen).

Als Dank und Anerkennung für ihre wertvolle Arbeit findet im November 2022 wiederum eine landesweite feierliche Hirtenehrung statt. Auch ein Buch über ihre Tätigkeit auf Kärntens Almen ist gerade in Ausarbeitung. Für kleinere Almen, von denen es in Kärnten besonders viele gibt (2/3 der Almen weisen eine Futterfläche von weniger als 20 ha auf) ist es jedoch nicht möglich einen Hirten anzustellen. Gerade diese Almen laufen nun durch die von Ihnen unterstützte uneingeschränkte Wiederansiedelung des Wolfes Gefahr, von der Bewirtschaftung aufgegeben zu werden schlussendlich zu verbuschen und zu verwalden. Aufgrund persönlicher Gespräche mit Hirten auf von Wolfrissen betroffenen Almen wissen wir, welch großer psychischer Belastung sie in solchen Situationen ausgesetzt sind. In der von Ihnen immer wieder zitierten Schweiz, in der Herdenschutz auf Almen angeblich bestens funktioniert, haben bereits viele Hirten genau aus diesem Grund ihren Job aufgegeben. Es wäre korrekt gewesen, ihrerseits auch solche Gespräche zu führen, bevor sie aus der Distanz Ihre pauschalen Vorverurteilungen aussprechen!

Genauso wie sie den Almbäuerinnen und Almbauern ohne Kenntnis der Situation vor Ort – auch wieder aus der Distanz – ständig ausrichten, wie sie ihre Nutztiere auf Almen vor dem Wolf schützen können. Wir laden Sie herzlich dazu ein, seitens des WWF dies auf einer Kärntner Alm einmal einen Almsommer lang vorzuzeigen! Jegliche Abschussgenehmigung wird gebetsmühlenartig vehement kritisiert und in Frage gestellt.

Herr Pichler, der Preis für die vom WWF betriebene Wolfspolitik ist ein sehr hoher, sie setzen damit die jahrhundertelange Tradition der Almbewirtschaftung in den bergbäuerlichen Regionen aufs Spiel. Ihre Aussagen gegenüber Hirten sind für uns einfach nur respektlos und wir weisen diese auf das Schärfste zurück. Außerdem fordern wir Sie auf, angegebene Zahlen auch korrekt wiederzugeben. Von der von Ihnen im Artikel angegebenen Summe von € 2,4 Mio/Jahr in Kärnten ist nämlich nur ein wesentlich kleinerer Teil für die ÖPUL – Maßnahme „Behirtung“ vorgesehen. Eine Entschuldigung bei den von Ihnen angesprochenen 635 Frauen und Männern, die äußerst wertvolle Arbeiten auf Kärntens Almen vollbringen, wäre mehr als angebracht. Für den Kärntner Almwirtschaftsverein: Josef Obweger, Obmann

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Agrarpolitik, Alm, Herdenschutz, Wolf