Praxisferne Knebel sind nicht zielführend
Im Jänner stellt sich die Präsidentin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, MICHAELA LANGER-WENINGER, erstmals der Wahl. STEFAN NIMMERVOLL hat mit ihr über ein Jahr gesprochen, das alles viel abverlangt hat.
Sie sind als Kammerpräsidentin im Jahr 2019 mit sehr hohen Ambitionen in das Amt eingestiegen. Wie viel von ihren Plänen hat ihnen denn die Coronakrise verhagelt?
Corona hat uns alle überrascht. Das Ziel Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen Einkommen möglich ist und Marktpotentiale erschlossen werden können, ist aber grundsätzlich gleich geblieben. Daran gilt es nun eben unter anderen Vorzeichen zu arbeiten.
Sie haben eine Bezirkstour gemacht und ein Arbeitsprogramm erarbeitet. Was sind für Sie die zentralen Punkte davon?
Mir ist das direkte Gespräch mit den Bäuerinnen und Bauern extrem wichtig. Zum Glück war es im September noch möglich das abzuschließen. Dort haben wir die Schwerpunkte diskutiert. Zusätzlich haben wir eine Umfrage unter 800 Landwirten beauftragt. Am wichtigsten ist es unseren Mitgliedern demnach, die landwirtschaftlichen Betriebe so aufzustellen, dass Einkommen erwirtschaftbar ist und die Jungen weitermachen können. Wesentlich ist auch der Schutz von Eigentum. Das Jahr 2020 hat uns gezeigt, dass der landwirtschaftliche Grund und Boden vermehrt für die Freizeit in Anspruch genommen wird, es deshalb aber auch zu Nutzungskonflikten kommt. Als dritten Punkt müssen wir unsere Öffentlichkeitsarbeit verstärken, um es selber in der Hand zu haben, wie wir in der Gesellschaft ankommen.
Zuletzt haben Sie recht lautstark Entschädigungen für bäuerliche Vorlieferanten der Gastronomie und Hotellerie gefordert. Haben Sie schon Rückmeldungen aus Wien bekommen?
Die Situation am Fleischmarkt ist aufgrund der staatlichen Schließungen sehr schwierig. Sehr große Absatzmärkte fallen weg. Die Ertragseinbußen sind für unsere Betriebe existenzbedrohend. Dafür muss es seitens des Finanzminsteriums Entschädigungen geben. Das Bewusstsein, dass es Unterstützungsmaßnahmen geben muss, ist dort da. Es geht jetzt noch darum, festzulegen, wie das argumentierbar und administrierbar ist.
Wir zufrieden sind Sie generell mit der Performance von Bund und EU bei der Bewältigung der Coronakrise?
Grundsätzlich ist diese Krise eine riesige Herausforderung für alle Verantwortlichen, weil keiner weiß, wie sich die Angelegenheit weiterentwickelt und wie lange das alles noch dauern wird. Insofern bin ich froh, dass man auch in Österreich sehr rigoros gehandelt hat. Gesundheitspolitisch sind die Maßnahmen, die uns jetzt zu schaffen machen, richtig, Allerdings müssen wir darauf schauen, dass die Bäuerinnen und Bauern nicht unter die Räder zu kommen. Nur zu sagen, dass sie systemrelevant sind, ist zu wenig.
Die Schweinebranche ist mit Corona und der ASP doppelt betroffen. Wird es gelingen, einen Ausbruch der ASP in Österreich zu verhindern?
Wenn man die Karte anschaut, wo es schon überall Fälle gibt, ist die Gefahr natürlich groß, dass auch wir irgendwann den ersten Fall haben. Dann ist es wichtig, dass wir gut aufgestellt sind, damit die Kette sofort laufen kann. Es darf dann keine offenen Fragen mehr geben, welche Zonen und Gebiete beispielsweise abgrenzt werden müssen.
Braucht es Zäune an den Bundesgrenzen?
Auch darüber wird man diskutieren müssen. Es wird aber immer Lücken geben, weil ja die Verkehrswege offen bleiben müssen. Mindestens ebenso wichtig wird es aber sein, Informationsarbeit zu leisten, um den Faktor Mensch als Gefährdungspotential zu reduzieren, egal ob es Pflegekräfte, Fernfahrer oder Jäger sind. Da müssen wir verhindern, dass Erreger über Fleisch oder Wurst eingeschleppt werden.
Sie sind selbst Bio-Bäuerin. Wie erleichtert sind Sie, dass es ein weiteres Übergangsjahr bei der Weideregelung gibt?
Sehr. Die Bauern haben nie einen Fehler gemacht. Die österreichische Auslegung ist bei den Kontrollen jedes Jahr bestätigt worden. Dass das EU-Audit ein anderes Ergebnis brachte, schafft die Situation, vor der wir stehen. Entscheidend wird sein, was ab 1.1.2022 in der neuen Bioverordnung auf europäischer Ebene stehen wird.
In Wahrheit wird damit also nur die Unsicherheit um ein Jahr verlängert. Wie viele Betriebe werden denn 2022 in Oberösterreich aus Bio aussteigen müssen?
Die Übergangsregelung wird ganz vielen Betrieben helfen jetzt zumindest für dieses Jahr dabeibleiben zu können. Wie es weiter geht, werden wir erst im Sommer wissen. Erst dann können wir feststellen, wie viele Bauern betroffen sind und wie wir diese begleiten können. Wir werden uns jedenfalls um jeden Betrieb kümmern und bei jedem einzelnen schauen, wie er die neuen Vorgaben erfüllen und im Biobereich bleiben kann.
Während bei uns Bio-Betriebe verloren gehen könnten, möchte die EU deren Anteil anderswo massiv steigern. Besteht nicht die Gefahr, dass die Märkte damit überhitzen und es zum Preisverfall kommt?
Es stößt uns sauer auf, dass wir immer als Bio-Vorzeigeland herumgereicht worden sind, man jetzt aber plötzlich sagt, dass es doch nicht passt. Bei uns hat sich Bio seit den 1990er-Jahren marktkonform entwickelt. Wenn jetzt binnen so kurzer Zeit europaweit auf einen Anteil von 25 Prozent gedrängt wird, wird das für die gesamte Branche den Preis drücken. Dann kann es sein, dass die Mehrkosten für Bio über das Produkt nicht mehr finanzierbar sein werden.
Im Rahmen der Farm to Fork-Strategie soll auch der Verbrauch an Pflanzenschutzmitteln und Mineraldüngern reduziert werden. Wie schwer tun Sie sich als Biobäuerin damit, sich hier für Betriebsmittel für die konventionelle Landwirtschaft einzusetzen?
Überhaupt nicht. Wer eine Funktion wie die meine übernimmt, darf nicht die eigene Wirtschaftsweise in den Vordergrund stellen. Die Betriebe in Oberösterreich arbeiten alle unter hohen Standards. Deshalb fordern wir eine Folgenabschätzung, was es für die Selbstversorgung mit Lebensmitteln und die bäuerlichen Eikommen bedeutet, wenn wir Betriebsmittel reduzieren. Denn das würde weniger Produktion nach sich ziehen. Praxisfremde Knebel sind da nicht zielführend.
Generell soll der Fokus bei den Förderungen noch stärker auf Tierwohl gelenkt werden. Ist das eine Absage an die intensive Produktion, wie sie in den Gunstlagen Oberösterreichs betrieben wird?
Nein, im Gegenteil. Das ist eine Möglichkeit Freiwilligkeit vor Zwang zu stellen. Wenn sich herausstellt, dass wir auf Dauer die Märkte dafür haben, um Produkte mit höheren Ansprüchen abzusetzen, werden die Bauern in solche Systeme investieren.
Bald soll ja die Herkunftskennzeichnung umsetzt werden. Die EU-Agrarminister treten sogar für ein Tierwohllabel ein. Sind Sie dafür, dass am Etikett steht, aus welcher Haltungsform ein Produkt stammt?
Wir wollen, dass gekennzeichnet wird, wo die Leitprodukte herkommen, so wie es die Regierung versprochen hat. Eine Tierwohlkennzeichnung kann es nur dann geben, wenn der Mehrwert in der Tierhaltung abgegolten wird. Ein Verquickung beider Labels darf es nicht geben.
Kann es im Rahmen der GAP-Verhandlungen möglich sein, einen fairen Ausgleich zwischen benachteiligten und intensiven Gebieten zu schaffen?
Davon bin ich überzeugt. Unserer Ministerin Elisabeth Köstinger ist es gelungen, dass es weiterhin eine Differenzierung zwischen Almflächen und sonstigen landwirtschaftlichen Flächen geben wird. Damit kann unser System mit Ausgleichszahlungen und Bergbauernförderungen weiter bestehen. Jetzt können wir an kleinen Schrauben in der Ausgestaltung drehen. Beim ÖPUL müssen wir schauen, dass wir einen flächendeckenden Ansatz schaffen, der sowohl intensive Betriebe als auch das benachteiligte Gebiet mitnimmt.
Sie sehen die Gefahr, dass manche Landwirte nicht mehr am ÖPUL teilnehmen könnten?
Durchaus. Die Betriebe werden nur dann an den Programmen teilnehmen, wenn sie letztendlich auch auf der betriebswirtschaftlichen Ebene einen Mehrwert haben. Deshalb müssen wir auch für intensive Acker- und Futterbaubetriebe Maßnahmen anbieten, die wirtschaftlich machbar sind. Wir brauchen zum Beispiel geringere verpflichtende Prozentsätze bei den Biodiversitätsflächen, damit die Betriebe flächendeckend daran teilnehmen können.
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