„Zämma“ wird es besser

Österreichweit geht die Zahl der Schlachthöfe laufend zurück. In Vorarlberg geht ein Zusammenschluss mehrerer bäuerlicher Organisationen hingegen das Wagnis ein, in eine gemeinsame Anlage zu investieren. STEFAN NIMMERVOLL war im Ländle

Fast wäre es eine unendliche Geschichte geworden. Als BLICK INS LAND im Sommer des vergangenen Jahres Gerhard Fruhauf von der Ländle Vieh Vermarktungs Genossenschaft erstmals trifft, weiß dieser noch nicht so recht, wie es weitergehen wird. „Es ist ein mehrjähriges Martyrium“, sagt der aus Niederösterreich zugewanderte Tierarzt und Rinderbauer damals, „mangels Wirtschaftlichkeit hat der letzte öffentliche Schlachthofs Österreichs mitten in der Stadt Dornbirn geschlossen. Danach hat es keine ausreichenden Kapazitäten mehr gegeben.“ Zwar wurde notdürftig ein Betrieb in Rankweil adaptiert. Vor allem Rinder wurden aber, auch wegen des Preisvorteils, auf Achse ins benachbarte Süddeutschland gebracht werden. Um die heimische Schlachtung für das AMA-Gütesiegel zu garantieren, führte der Weg oft sogar noch weiter in die östlichen Bundesländer. Das zog Protestaktionen des in Vorarlberg besonders aktiven Vereins gegen Tierfabriken nach sich. „Wenn Transporteinschränkungen wegen gesetzlicher Verschärfungen oder wegen Tierseuchen kommen, ist das ein Riesenproblem“, so Fruhauf weiter.

Unter dem Mangel an Kapazitäten leiden auch die Direktvermarkter, die über keinen eigenen Schlachtraum am Hof verfügen. „Ich habe seit eh und je außer Haus schlachten lassen. Wenn der Schlachthof ganz zu gewesen wäre, wäre das das Aus für meinen Betrieb gewesen“, sagt Reinhold Kräutler. Er ist hält auf seinem Hof in Koblach Angus-Mutterkühe und ist Obmann der Vorarlberger Fleischrinderzuchtvereinigung. Man habe irgendwie im bestehenden Altbau in Rankweil, der nach dem Rückzug der privaten Betreiber, behelfsmäßig von der Landwirtschaftskammer Vorarlberg geführt wurde, weitergewurschtelt, aber gewusst, dass die Überbrückung ein Ablaufdatum hat. Die Gefahr war groß, dass die gesamte Rinderhaltung im Ländle ausgedünnt wird. „Wir haben viele sehr kleine Betriebe, die auch Generhaltungsrassen pflegen. Außerdem haben wir ein Projekt über Tann für Spar und eines über Sutterlüty laufen.“ All das wäre in Gefahr gewesen, wenn die Genehmigung ausgelaufen wäre.

Nun zeichnet sich aber endlich eine Lösung am Horizont ab: Am Standort Rankweil soll ein neuer, moderner Schlachthof entstehen, der Anfang 2026 in Betrieb gehen kann. Errichtet wird er von der Zämma Schlacht- und Zerlege GmbH, an der mehrere bäuerliche Institutionen beteiligt sind. „Es sind das die Organisationen, die über die Tiere verfügen bis hin zum Maschinenring und einem Unternehmen, das Schlachtabfälle übernimmt“, erklärt Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger. Entstehen wird das Bauwerk am Gelände der Familie Gstach, wo schon bisher in kleinem Rahmen geschlachtet wurde. Die Herausforderung ist, dass der Um- und Zubau im laufenden Betrieb stattfinden muss, weil die Ländle-Programme ja weiterlaufen müssen. „Wenn alle anderen schließen, bauen wir einen Schlachthof. Manche stellen uns schon die Frage, wie das gehen soll?“, sinniert Moosbrugger. Er ist fest davon überzeugt, dass dem Projekt kein Schicksal wie dem Gemeinschaftsschlachthof in Außervillgraten in Osttirol droht, der nach einem Jahr bereits in die Insolvenz schlitterte.

Gefördert wird der mit 4,8 Mio. Euro veranschlagte Schlachthof zu 65 Prozent vom Land Vorarlberg. „Es war klar, dass wir nicht selber einen Schlachtbetrieb errichten und betreiben wird können“, meint Agrarlandesrat Christian Gantner. Das wäre auch aufgrund wettbewerbsrechtlicher Vorgaben der EU nicht möglich gewesen. Dass so viel Zeit seit der Schließung in Dornbirn im Jahr 2021 vergangen ist, erklärt Gantner damit, dass zunächst eine andere Idee verfolgt wurde, die wirtschaftlich nicht darstellbar war. „Es brauchte auch einfach seine Zeit, bis sich eine Gruppe von Interessenten gebildet hatte, um gemeinsam das nun vorliegende Projekt in Rankweil zu verwirklichen.“ Wichtig sei dabei gewesen, dass der Standort einerseits gut erreichbar sei (kein Rind fährt mehr als 40 Kilometer) und dass es andererseits möglichst keine nachbarschaftlichen Konflikte gibt. „Wie viele Tiertransporte eingespart werden können, wird ganz besonders von der Attraktivität der neuen Schlachteinrichtung abhängen. Dazu gehören Anlagen, die den modernsten Anforderungen des Tierwohls entsprechen und eine sehr gute Organisation des Schlachtbetriebes.“

Wie man Abläufe organisiert, weiß man beim Maschinenring. Dessen Obmann Armin Schwendinger verweist darauf, dass 80 Prozent der Vorarlberger Bauern Mitglied sind. „Die Abnehmer, die das Fleisch brauchen, konnten sich nicht dazu durchringen, selber entsprechende Einrichtungen zu bauen“, kritisiert er. Daraus sei die Verpflichtung entstanden, sich als bäuerliche Organisation an dem Projekt zu beteiligen. Deshalb hat der Landesverband das Gelände gekauft und wird sich, wie die anderen Gesellschafter, mit acht Prozent an den Baukosten beteiligen. „Natürlich hoffen wir, dass unsere Investition zurückfließt“, sagt Schwendinger. Erstes Ziel sei es aber gewesen, der Vorarlberger Landwirtschaft wieder einen AMA-zertifizierten Schlachthof zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt können dort jährlich an die 5.000 Rinder, 1.500 Schweine und 2.500 Schafe geschlachtet werden. „Vor allem für die Vermarktung von Kälbern als Nebenprodukt der Milchwirtschaft braucht es dringend Impulse“, sagt Gerhard Fruhauf. Der Bereich sei aufgrund des ruinös billigen Mitbewerbs aus Holland ohnehin kaum konkurrenzfähig. „Das Land zahlt zumindest pro Kalb einen Hunderter dazu. Mit den Schlachtkapazitäten in Rankweil kann vielleicht ein neuer Markt dafür entstehen.“ Auch Reinhold Kräutler hofft auf bessere Zeiten: „Wir improvisieren und schustern jetzt herum.“ Aktuell würden die Kühlkapazitäten fehlen, um die Rinder richtig abzuhängen. „Wir könnten in der Vermarktung jetzt schon deutlich mehr machen, wenn wir schon die Rahmenbedingungen dafür hätten.“

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