Langer-Weninger im Interview: „Es wird mehr Mittel geben müssen!“
Ihre Wahl war geschichtsträchtig: Michaela Langer-Weninger wurde im vergangenen Juni zur ersten Landeslandwirtschaftskammerpräsidentin der Republik gewählt. Inhaltlich setzt sie auf eine kämpferische Linie, wie ALOIS BURGSTALLER und STEFAN NIMMERVOLL im Gespräch herausgefunden haben.
Sie sind eine Frau, kommen ursprünglich aus Niederösterreich, und bewirtschaften einen Biobetrieb in einer Grünlandregion. Ist es mit all diesen Attributen schwierig in manchen Regionen Oberösterreichs akzeptiert zu werden?
Ich war mir bewusst, dass es Diskussionen geben kann – weniger deswegen, weil ich eine Frau bin, sondern eher, weil ich von einem Bio-Grünlandbetrieb stamme. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass es gleich ist, wo man herkommt, wenn man an Themen ehrlich und ohne Vorurteile herangeht.
Sie haben Versammlungen quer über das Land gemacht, auch um sich vorzustellen. Vereinzelt war der Zuspruch dabei gering. Kann das etwas mit ihnen zu tun haben?
Nein. Die Versammlungen waren überall sehr gut besucht, in zwei Bezirken waren etwas weniger Personen anwesend. Vielleicht, weil es dort momentan nicht so viel Brennendes gibt. Anderswo sind NEC, die Biorichtlinie oder die Zukunft des Nebenerwerbs mehr Thema. Daher nehme ich das überhaupt nicht persönlich. Wir haben überall positive Rückmeldungen bekommen. Wir kommen auch in Zukunft in die Bezirke hinaus – das Angebot an die Bauern zum direkten Gespräch ist mir wichtig.
Wie glaubhaft können Sie denn Vollspaltenböden oder den Einsatz von Glyphosat verteidigen?
In Oberösterreich ist der Standard auch bei den konventionellen Betrieben so hoch, dass ich mit gutem Gewissen dafür eintreten kann. Die Entscheidung biologisch zu wirtschaften war für unseren Hof richtig. Das heißt aber überhaupt nicht, dass diese Entscheidung auch für andere passen muss.
Erwarten Sie von den Grünen Rufe nach Verschärfungen beim Pflanzenschutz?
Im Regierungsprogramm ist jedenfalls festgehalten, dass es Verschärfungen immer nur im Einklang mit den EU-Standards geben soll.
Langfristig sollen laut dem Übereinkommen dafür tierfreundlichere Haltungsformen kommen.
Wenn es vom Markt oder von der öffentlichen Hand abgegolten wird, können wir über Dinge wie Vollspaltenböden oder die Ferkelkastration durchaus reden. Anders wird das nicht gehen. Denn wenn ich beim Händler ein Auto bestelle, weiß ich auch, dass ich für jede Sonderausstattung, die ich mir wünsche, zahlen muss.
Gerade in Ihrer Heimat, dem Mondseeland, ist die Anbindehaltung bei Milchkühen noch ein großes Thema. Werden wir diese langfristig aufrechterhalten können?
Das werden wir im Sinne der kleinen Betriebe müssen. Bei uns gibt es keine Almen. Viele Betriebe sind im Nebenerwerb. Für eine Bäuerin, die alleine daheim ist, ist es eine riesige Herausforderung die Rinder auszutreiben. Genau dafür brauchen wir weiterhin gesetzliche Ausnahmen und die Möglichkeit zur Kombinationshaltung.
Die Alternative ist der Laufstall. Tierwohl und Klimaschutz stehen aber nicht selten im Widerspruch zueinander. Wie ist möglich, solche Haltungsformen mit dem Ziel einer Emissionsreduktionen unter einen Hut zu bringen?
Das ist eine gute Frage, die uns fordert. Die Situation ist paradox: Wir hatten bis 2005 laufend Reduktionen beim Ammoniakausstoß. Seit damals steigt er wieder, weil wir, auch bei den Schweinen, andere Haltungssysteme haben.
Laut NEC-Richtlinie müssen wir den aber bis 2030 um 22 Prozent reduzieren.
Das wird eine Mega-Herausforderung. Wir werden Güllegruben abdecken und die Gülle in allen Gebieten, in denen es irgendwie möglich ist, bodennah ausbringen müssen. Sollten wir das nicht zusammenbringen, müssen wir über Bestandsreduktionen nachdenken. Das ist nicht unser Ziel. Freiwilligkeit vor Zwang muss im Vordergrund stehen. Deshalb werden wir stärkere Anreize über Förderungen brauchen.
Um Investitionsförderungen kann man in Oberösterreich derzeit aber gar nicht mehr ansuchen, weil der Topf ausgeschöpft ist. Wie verträgt sich das damit?
Gar nicht gut. Wir hoffen, dass der Finanzrahmen der EU bald beschlossen wird, damit wir wieder Mittel freigeben können.
Ihr Vorgänger Franz Reisecker hat die damalige Bundesregierung aufgefordert, mehr Geld nach Brüssel einzuzahlen, damit die Mittel für die heimischen Bauern abgesichert sind. Stehen Sie dazu?
Ja. Es wird mehr Mittel geben müssen.
Die Regierung verspricht aber ohnehin, alle Ausfälle national auszugleichen. Reicht ihnen das nicht?
Das Sicherheitsnetz federt zwar das ab, was weniger aus Brüssel kommt. Es ist aber gefährlich zu glauben, dass wir deshalb auf europäischer Ebene weniger machen müssen. Alles, was für unsere Bauern dort einmal weg ist, werden wir nie wieder bekommen.
Das ist nicht ÖVP-Parteilinie. Hat es deshalb schon einen bösen Anruf aus Wien gegeben?
Bisher nicht. Aber der kann durchaus noch kommen (lacht).
Wenn Österreich das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 erreichen will, muss sich auch in der Landwirtschaft einiges ändern. Chance oder Gefahr?
Eine Chance, wenn wir es schaffen daraus einen Mehrwert für die einzelnen Betriebe zu ziehen. Wir sind der einzige Bereich, der die Möglichkeit hat, auch CO₂ zu speichern und solches nicht nur zu verursachen.
Also sollen die Bauern für ihren Humus CO₂-Zertifikate auflegen?
Das hört sich im ersten Augenblick toll an. Wir müssen aber auch schauen, was passiert, wenn der Humusgehalt einmal weniger wird. Zahlen die Bauern dann drauf?
Viele Biobauern stehen angesichts der neuen Vorgaben bei der Weideverpflichtung vor großen Herausforderungen. Haben Sie schon Zahlen für Oberösterreich?
Letzten Herbst haben ungefähr 1.000 der 3.500 Betriebe im ÖPUL noch keine Weidemaßnahme beantragt. Einige haben noch im Dezember das Kreuzerl gemacht. Schätzungsweise 200 bis 300, die es wirklich nicht schaffen Weidemaßnahmen umzusetzen, werden überbleiben. Davon wollen wir so vielen wie möglich mit Beratung über das Jahr 2020 d´rüberzuhelfen. Dann müssen wir schauen, wie die neue EU-Bioverordnung ab 2021 ausschauen wird.
Einige Betriebe werden wohl aus Bio aussteigen müssen.
Es ist einigermaßen doppelzüngig, wenn man einerseits ins Regierungsabkommen und in den Green Deal hineinschreibt, dass man den Biolandbau ausbauen will und andererseits denen, die schon lange dabei sind, den Status wegnimmt. Da sind Pioniere betroffen, die seit 40 Jahren Bio sind. Wir erwarten uns daher zumindest eine Wahrungsregelung, damit diese nicht rausfallen.
Zynisch gesagt würde eine gewisse Ausstiegsquote aber zumindest den zunehmenden Marktdruck entschärfen. Haben wir vielleicht ohnehin schon zu viel Bio?
Das ist je nach Sparte unterschiedlich. Manche Molkereien meinen sogar, dass sie neue Biobetriebe brauchen werden, wenn ihnen bisherige wegfallen. Beim Getreide haben wir momentan aber sicher einen vollen Markt.
Ist es dann verantwortungsbewusst einen weiteren Ausbau von Bio ins Regierungsprogramm zu nehmen?
Wir müssen uns auch im Biobereich an den Markt anpassen, sonst werden wir den Mehraufwand dort nicht mehr erlösen können. Gerade durch den Einstiegsstopp hat es immer wieder eine Konzentration von zusätzlicher Ware auf gewisse Jahre und einen Rückstau am Markt gegeben. Daher bin ich froh, dass es in Zukunft einen kontinuierlichen Einstieg geben soll.
Michaela Langer-Weninger (42) ist in Litschau im Bezirk Gmünd aufgewachsen und besuchte anschließend die Tourismusschule in Krems. Bei einem Praktikum am Mondsee lernte sie ihren Mann kennen. Mit ihm führt sie den Aichriedlhof, einen Bio-Heumilchbetrieb in Innerschwand. Seit 2009 ist sie Landtagsabgeordnete, seit Juni 2019 Präsidentin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich.
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