Kurs hart am Wind
Im Zuge der hochemotionalen Diskussion über Vollspaltenböden in Österreichs Schweineställen, wurde viel über das „dänische System“ geredet, das eine Leitlinie für die Zukunft sein könnte. STEFAN NIMMERVOLL hat sich die dortige Branche vor Ort angesehen.
Jørgen Jacobsens Weg ist beachtlich: Als er den Familienbetrieb, wie in Dänemark üblich, 1978 von seinen Eltern gekauft hat, hielten diese 12 Kühe und fünf Zuchtsauen. Nach mehr als 30 Jahren stetigem Ausbau, produzierte er, als sein Sohn John 2012 in das Unternehmen einstieg, mit 500 Sauen. Dieser konnte mit den Ferkeln nicht so viel anfangen wie sein Herr Papa und stellte auf Mastschweine um. Heute verlassen 38.000 Tiere pro Jahr Jacobsgaard. In absehbarer Zeit soll ein weiteres Gebäude dazukommen. „Unser effizientes Management hat uns immer gut verdienen lassen“, erzählt der Seniorchef beim Rundgang über das Gelände, „auch die Zukunft wird wieder in Ordnung sein, wenn sich die Lage auf den Märkten in einem halben Jahr normalisiert hat.“
Die Wachstumsgeschichte des Betriebes deckt sich mit der rasanten Entwicklung, die die gesamte dänische Schweinebranche genommen hat. Sie ist eine, die von hoher Produktivität und einem brutalen Verdrängungswettbewerb erzählt. 1990 waren es 30.000 Schweinehalter, im Vorjahr nur noch 2.500. Und derzeit erfährt Jørgen Jacobsen beinahe täglich von weiteren Kollegen, die aufgrund der exorbitanten Futterkosten ihre Ställe leeren. Zumindest die, gemessen an den Leistungsdaten, „schwächeren“ und jene ohne Nachfolger werden auch keine Tiere mehr nachbestücken. Und dennoch prägt diese überschaubare Gruppe mit ihren – zum Stichtag im Vorjahr – 13 Mio. Schweinen die europäischen Märkte. Statistisch betrachtet kommen damit auf jeden der knapp sechs Mio. Landsleute mehr als zwei Rüssel. Folglich müssen 90 Prozent des Fleisches in den Export gehen.
Zwar haben die jüngsten Betriebsaufgaben auch in Dänemark zu einem Rückgang in den Bestandszahlen geführt – allerdings weit nicht so dramatisch wie zum Beispiel in Deutschland, wo man von einem „Strukturbruch“ redet. „Die Betriebe, die überbleiben, werden wieder investieren. Damit werden wir weiterhin eine moderne und wettbewerbsfähige Schweinewirtschaft haben“, sagt Astrid Gade Nielsen. Sie ist Vizepräsidentin beim genossenschaftlichen Schlachtkonzern Danish Crown. Während in wichtigen Produktionsländern wie Deutschland, den Niederlanden, in Großbritannien oder Belgien über eine gesetzliche Einschränkung beim Nitrat oder bei der Tierzahl geredet wird, sei sich die Politik in Dänemark der Bedeutung des Sektors bewusst. „Die Zukunft der Schweinehaltung am Kontinent wird in Spanien, in Dänemark und vielleicht in Teilen Osteuropas liegen“, meint Gade Nielsen.
Andere Produzenten werden auch laut Mäster Jacobsen nicht am Massenmarkt konkurrieren können, selbst wenn sie nicht staatlich in ihrem Wachstum beschnitten werden: „Schauen Sie nach Deutschland. Dort gibt es ein Problem mit der Struktur. Betriebe mit weniger als 20.000 Mastplätzen werden zu klein sein, um überleben zu können.“ Der Rückgang in der Anzahl der Höfe per se wird in Dänemark von keinem Gesprächspartner als Problem betrachtet. „Schwierig würde es nur werden, wenn unser Schweinebestand auf unter zehn Mio. sinken würde. Dann würden unsere Schlacht- und Exportstrukturen zusammenbrechen“, erklärt Astrid Gade Nielsen. Daher wird auch über Danish Crown fleißig in die Verbesserung der Betriebe investiert. „Die Kosten für die Produktion müssen in absehbarer Zeit um insgesamt eine Mrd. Kronen bei gleichzeitig höchster Produktqualität reduziert werden“, so die Managerin. Umgerechnet sind dies 135 Mio. Euro.
Der Schlüssel zu solchen Einsparungen waren bisher stets Fortschritt und verbesserte Genetik. Eine dänische Muttersau wirft aktuell im Durchschnitt 36 Ferkel pro Jahr. Spitzenbetriebe haben die magische Schwelle von 40 längst überschritten. „Die Entwicklung bei der Wurfgröße wird aber nicht in dem Tempo weitergehen“, sagt Jesper Poulsen von der Zuchtorganisation DanBred. Aktuell wird ihm zufolge mehr auf Mastgeschwindigkeit und Futterverwertung geschaut. „Ein Schwein, das mit weniger Futter auskommt, ist derzeit eindeutig ökonomisch im Vorteil.“ Daneben will man aber auch die Mortalität der Ferkel senken. Diese liegt bei über 20 Prozent, was gesellschaftlich in der Kritik steht. Die Branche hat sich vorgenommen, den Wert um einen Prozentpunkt pro Jahr zu reduzieren. Möglich wird das angesichts der immensen Geschwindigkeit des Zuchtfortschrittes wohl sein. „Nach zehn Monaten ist das Sperma eines Ebers schon nicht mehr verkaufbar, weil die Indexwerte nicht mehr stimmen“, bestätigt Poulsen.
Tierwohl ist in Dänemark ein Thema, wenn auch bei weitem nicht in dem Ausmaß wie anderswo. Vollspaltenböden sind seit geraumer Zeit verboten. Im Stall der Familie Jacobsen besteht eine Bucht zum Beispiel aus 4,9 m² Spalten und 1,1 m² planbefestigtem Beton. Das Thema sei vor allem eines der Twitter-Blase in Kopenhagen, der Rest der Gesellschaft stehe hinter der Landwirtschaft, glaubt man. Mehr Angst hat man vor den Ideen der Regierung, die Einhaltung der CO²-Ziele über Zölle zu erreichen und dabei auch die Landwirtschaft pro ausgestoßener Tonne zu besteuern. Damit könnte die Wettbewerbsfähigkeit im Gröscherlgeschäft auf den Weltmärkten schnell dahin sein. „Wir wollen das Thema daher als Sektor selbst lösen“, so Astrid Gade Nielsen. Danish Crown hat die Höfe aller Mitglieder angeschaut und gemeinsam mit den Landwirten Reduktionsziele erarbeitet. Deren Einhaltung wurde von den Bauern vertraglich zugesichert und wird in drei Jahren kontrolliert. Am Ende des Prozesses soll eine klimaneutrale Produktion im Jahr 2050 stehen. „Weiterentwicklung kann es nur geben, wenn die Bauern mit an Bord sind“, so Gade Nielsen. Bisher war die Navigation der dänischen Schweinewirtschaft durch die raue See des Weltmarktes beeindruckend. Am Schiff geblieben sind aber nur weniger Produzenten.
www.danishcrown.com
danbred.com
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