GMEINER MEINT

„Agrarmonster“ sorgt für „Chaostage“

Das Konvolut ist 1.320 Seiten stark, allein das Inhaltsverzeichnis nimmt 34 Seiten ein, und es enthält alle Vorschriften, mit denen die österreichische Landwirtschaft, respektive die Bauern, ab 2023 leben und die sie auch einhalten müssen. Inklusive 30 Seiten zum Thema Biohaltung von Bienen.
„Agrarmonster“ nennen die „Oberösterreichischen Nachrichten“ den „Bericht zum GAP-Strategieplan“, der die Basis für die Umsetzung der EU-Agrarreform in Österreich ist. Er ist genau das Gegenteil von dem Bürokratieabbau, der den Bauern bei jeder Agrarreform wieder versprochen wird.
Das Programm sei extrem komplex, gehe intensiver auf die Unterschiedlichkeit der Höfe ein, bringe aber den Bauern Flexibilität und steigere die Möglichkeiten, heißt es von Experten fast entschuldigend. Und der Präsident des Bauernbunds sagt in einem Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ auf eine entsprechende Frage: „Wir leben leider in einer bürokratischen Welt. Über Programme erbringen wir Bauern unsere Leistungen und für diese Leistungen wollen wir auch finanzielle Abgeltung. Und wir wollen, dass dieses Geld möglichst direkt auf die Höfe kommt.“ Und das gelinge sehr gut, für Umweltleistungen gebe es nach der Agrarreform ab 2023 insgesamt mehr Geld als vorher.
Da mag der Präsident Recht haben, dennoch befriedigt die Erklärung nicht wirklich. Irgendwo muss Schluss sein mit all der Zettelwirtschaft, den bitzeligen Vorschriften, all den Kontrollen und den quälenden Anforderungen, deren Sinn und Ziel zuweilen immer weniger erkennbar sind und den Bauern oft die Arbeit verleiden. Schließlich soll es, auch das steht im GAP-Strategieplan, um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und die Erhöhung der betrieblichen Produktivität gehen.
Angemerkt sei: Nicht immer ist Brüssel an all den Auswüchsen schuld. Viele sind hausgemacht. Und das nicht einmal in Wien, sondern oft in den Ländern, die für die Durchsetzung von Interessen ihrer Bauern durchaus gerne eine Extra-Portion Bürokratie in Kauf nehmen, mit der dann alle zurechtkommen müssen.
Da nimmt nicht Wunder, dass der Strategieplan immer noch nicht fertig ist. Mit mehr als 250 Anmerkungen schickte Brüssel Anfang April den Entwurf nach Wien zurück. In diesen Tagen arbeitet man an der endgültigen Abklärung mit der EU-Kommission. Vor allem spießt es sich an der von Brüssel geforderten Vorschrift, dass zwischen 1. November und 15. Februar mindestens 80 Prozent der Ackerfläche und 50 Prozent der Dauerkulturflächen eines Betriebs „jedenfalls“ eine Mindest-Bodenbedeckung aufweisen müssen. Vor allem in den Maisanbau-Regionen der Steiermark, aber auch in anderen Gebieten Österreichs und selbst bei Biobauern ist seither Feuer auf dem Dach, weil die Vorschrift viele Konzepte auf den Kopf stellen und vor allem den Pflug­einsatz beschränken würde. An Lösungen werde gearbeitet, heißt es eher zurückhaltend. Unruhe gibt es wegen der ab Jahresbeginn geltenden neuen Vorschriften nicht nur bei uns, sondern auch anderswo. „Chaos­tage in der GAP 2023“ nennt das die deutsche Fachzeitschrift „agrarheute“.

Der Beitrag GMEINER MEINT erschien zuerst auf Blick ins Land.

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