Fatale Kombination bringt mehrfache Gefahr

 
Im Jahr 2002 wurde in der Nachhaltigkeitsstrategie ein Ziel von 2,5 Hektar Bodenverbrauch pro Tag festgelegt. Aktuell liegt dieser Wert bei 11,5 Hektar. Das Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie wurde damit klar verfehlt. „Österreich ist Europameister im negativen Sinn, was die tägliche Verbauung für Straßen, Gewerbeflächen oder Einkaufszentren betrifft“, so Kurt Weinberger, Chef der Österreichischen Hagelversicherung, in seinen einleitenden Worten zum Pressegespräch mit dem Meteorologen und Geschäftsführer der Weatherpark GmbH Simon Tschannett.  Österreich verfügt mit 1,67 m² über die größte Supermarktfläche pro Kopf und mit 15 m pro Kopf über das längste Straßennetz. Gleichzeitig stehen Immobilien in der Größe Wiens (= 40.000 Hektar) leer. Die Folgen sind fatal:
Versiegelter Boden speichert kein Wasser, der Grundwasserspiegel sinkt. Seen geht das Wasser aus. Besonders betroffen ist der Neusiedler See und der Anemonensee. Zubetonierter Boden verliert seine Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern, die Temperatur in den Städten steigt. Während es vor 40 Jahren nur 6 Hitzetage  mit über 30 Grad gab, sind es heuer bisher rekordhafte 25. Verbetonierter Boden führt zu einem Verlust der Selbstversorgung mit Lebensmitteln, die bei Weizen nur mehr 88 Prozent, bei Obst und Gemüse rund 50 Prozent und bei Soja nur 20 Prozent beträgt. Boden zu versiegeln bedeutet Biodiversität zu verlieren. Rund 80 Prozent der Arten und Lebensräume sind in keinem “guten Zustand”, womit Österreich nur auf dem vorletzten Platz von 28 untersuchten Ländern liegt. In den vergangenen 30 Jahren haben wir 70 Prozent der Wirbeltierbestände eingebüßt. Versiegelter Boden bedeutet weniger Erholungsraum. Laut MARKET-Umfrage sagen 4 von 5 Österreichern, der Tourismus ist massiv gefährdet. 
„Angesichts dieser Fakten gilt es, dass 2,5-Hektar-Ziel der Bundesregierung, verankert auch im Regierungsübereinkommen, rasch umzusetzen. Das Thema „Stopp dem Bodenverbrauch“ muss oberste Priorität für Österreich haben. Die Länder als Verantwortliche in der Gesetzgebung in puncto Raumordnung sind daher gefordert, rasch Maßnahmen zu setzen. Ansonsten wird es in der Bundeshymne in absehbarer Zeit heißen: Österreich ein Land ohne Äcker zukunftslos“, so Weinberger.
Simon Tschannett rät zu mehr Beachtung der Hitzewellen in der Stadtplanung. „Versiegelte Flächen können Temperaturen bis zu 50 Grad erreichen, dunkel asphaltierte Flächen sogar bis zu 70 Grad. Fakt ist jedoch, dass die Städte mehr Naturraum brauchen, wenn man der Hitze etwas entgegensetzen will. In der Stadtplanung müssen große begrünte Flächen mitgedacht werden, weil dort lokal Kaltluft zur Abkühlung entsteht. Im Umland produzieren Wälder, Äcker und Wiesen Kaltluft, die bis in die Innenstädte hineinwirkt. Somit ist in unversiegelten, begrünten Bereichen die gefühlte Temperatur um vieles erträglicher. Daher ist es unbedingt nötig, in der Stadtplanung Hitzewellen vorzubeugen. Die für die Kaltluftproduktion unersetzbaren Äcker und Wiesen müssen sofort vor Verbauung geschützt werden“, so Tschannet. Eine Vision, wie unsere Städte und Gemeinden klimafit sind und werden können, ist übrigens auf www.KlimaKonkret.at zu finden.
Um das 2,5-Hektar-Ziel zu erreichen, gibt es verschiedene Lösungsansätze. Es bedarf monetärer Anreize für eine Revitalisierung ungenutzter Immobilien. Bauland sollen nur genehmigt werden, wenn eine Gemeinde nachweisen kann, dass Innenentwicklungspotentiale nicht verfügbar sind. Verbauungsschutz der produktivsten Böden für die Ernährungssicherung wie in der Schweiz. Vermehrtes Bauen in die Höhe und in die Tiefe und Ausbau der flächeneffizienten Öffis.
„Unbegrenztes Wachstum mit Gewinnmaximierung zu Lasten der Natur ist überholtes Denken. Daher dürfen wir den Wohlstand nicht allein an einer einzigen Kennzahl, dem Bruttoinlandsprodukt, bemessen. Wirtschaft muss neu gedacht werden! Wir müssen in die jährliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auch die Kennzahl Naturkapital aufnehmen“, so Weinberger.  „Es braucht also eine gemeinsame Kraftanstrengung von Gesetzgeber, Wissenschaft, den Medien und der Wirtschaft, das Wunderwerk Boden am Leben zu erhalten. Das sind wir unseren Kindern und Kindeskindern schuldig!“, so Weinberger und Tschannett abschließend.

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