Dürre Aussichten im Seewinkel

Halb Europa darbte im Dürresommer 2022 unter dem ausbleibenden Regen. Im Burgenland fiel der Neusiedler See auf seinen Niedrigststand seit Beginn der Messungen. Die meisten Lacken im Seewinkel trockneten vollständig aus. STEFAN NIMMERVOLL sprach mit Betroffenenen.

Gleißende Mittagshitze an einem See, der nur mehr dem Namen nach ein solcher ist. Verzweifelt versuchen Freiwillige die Fische aus den immer kleiner werdenden Wassertümpeln zu retten. Und im Hintergrund laufen die Beregnungsanlagen und sprenkeln das Wasser, das im See fehlt, in hohem Bogen auf die Äcker. Das Bild, das der Zicksee und seine Umgebung Ende Juli für die Kameras der extra angereisten Medienvertreter abgaben, war alles andere ideal für das Image der Landwirtschaft im Seewinkel. Dementsprechend öffentlichkeitswirksam zürnte der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil den Bauern. Er verstehe nicht, warum Mais, der nicht einmal zur eigenen Lebensmittelversorgung herangezogen wird, gegossen wird, während man gleichzeitig über den niedrigen Wasserstand des Neusiedler Sees diskutiert, wurde der als rhetorisch nicht gerade zimperlich geltende SPÖ-Politiker zitiert. Er kündigte an, rechtliche Möglichkeiten prüfen zu lassen, um die Bewässerung zu stoppen.

Davon angesprochen dürfte sich unter anderem Gerald Kern aus St. Andrä am bereits erwähnten Zicksee gefühlt haben. Er baut auf seinen Feldern unter anderem Saatmais an und kultiviert Gemüse in Folientunneln. Zudem ist er Obmann der Wassergenossenschaft in seinem Dorf. In insgesamt 80 Ortschaften koordinieren diese Einrichtungen die Ansuchen für insgesamt 21 Mio. Kubikmeter, die den Bauern je nach Kulturartenverteilung bewilligt werden. Kern ist auch Sprecher der IG Bewässerung Bezirk Neusiedl am See, die sich im Frühjahr als Reaktion auf die Kritik formiert hat. „Wir wünschen uns ebenso einen stabilen Grundwasserspiegel wie die Politik. Wir wollen aber nicht als Buhmann für etwas hingestellt werden, für das wir nichts können“, wehrt er sich gegen den öffentlich konstruierten Zusammenhang zwischen dem Wasserstand im Neusiedler See und jenem in den Brunnen der Bauern. Das Grundwasser des Seewinkels speise nämlich den Steppensee gar nicht. „Und an ein paar Tagen mit über 30 Grad verdunstet dort dieselbe Menge Wasser, wie unsere Landwirtschaft im ganzen Jahr braucht.“

Komplexer wird es allerdings, wenn es um die Austrocknung der kleineren Salzlacken östlich davon geht. Diese hängen nämlich sehr wohl vom Grundwasserstand unter den Äckern ab – und auch dieser ist historisch niedrig. In einigen Gemeinden, wie eben in St. Andrä, wurde die Beregnung daher nach Erreichen definierter Grenzwerte in der Verordnung eingestellt. „Die Lage ist derzeit angespannt. Es gibt Unverständnis darüber, dass manche Bewässerungspraktiken nicht verhältnismäßig zur Trockenheit durchgeführt werden“, meint der Leiter des Hauptreferates Wasserwirtschaft beim Land Burgenland und der Task Force zu dem Thema, Christian Sailer. Beregnung bei Mittagshitze und bei starkem Wind sollten der Vergangenheit angehören. Man erwarte sich einen sorgsameren Umgang mit dem Wasservorrat. „Wenn das nicht von alleine funktioniert, sind entsprechende Regelungen erforderlich“, sagt Sailer.

Die davon hauptsächlich betroffenen Kulturen wären einerseits Frühkartoffeln, die nirgends in Österreich so zeitig wie im Seewinkel geerntet werden können und dank dieses Wettbewerbsvorteils gutes Geld bringen. Andererseits steht aber auch der Saatmaisanbau in der Kritik. 350 Landwirte im Bezirk vermehren für Corteva Pioneer in Parndorf auf 3.800 Hektar Kukuruz. „Wir zahlen jedes Jahr 15 bis 20 Mio. Euro an die Bauern aus und beschäftigen 150 Fixangestellte und 250 Saisonkräfte“, unterstreicht deren Prokurist Paul Brunner die Bedeutung für die Region. Beim Biomais ist man der größte Saatgutproduzent Österreichs. Körner aus der Region werden in ganz Europa in die Böden gedrillt. Für heuer rechnet Brunner aufgrund der Dürre mit unterdurchschnittlichen Erträgen. Dabei war die Entwicklung des Maises schon abgeschlossen, als die Beregnungsverbote in Kraft getreten sind. „Ohne Bewässerung als Absicherung ist dessen Anbau sehr schwer möglich“, warnt Brunner vor den im Land offensichtlich ventilierten Idee, dass die Behörde vorgibt, welche Kulturen zukünftig überhaupt gegossen werden dürfen.

„Wenn keine Bewässerung mehr möglich ist, sperren zwei Drittel der Betriebe zu“, fürchtet auch Gerald Kern, dass gerade jene Kulturen, die derzeit satte Deckungsbeiträge bringen, nicht mehr wirtschaftlich sein könnten. Man sei auf der intensiven Suche nach Alternativen bei der Beregnung. „Im Gemüsebau und beim Wein sind bereits Tröpfchenbewässerungen im Einsatz. Bei den Erdäpfeln bekommt man die Schläuche aber schwer wieder aus dem Acker heraus.“ Auch bei den Beregnungszeiten nimmt Kern seine Berufskollegen in Schutz: „Wir können nicht auf jeden Acker einen Rainstar stellen. Die Betriebszeiten sind auch von äußeren Umständen abhängig. Da muss man auch einmal in den Vormittag hinein gießen.“ Dennoch seien technische Verbesserungen jedenfalls sinnvoll.

Das sieht auch Paul Brunner so: „Unser erster Schritt ist, dass wir die Landwirte beraten, wie sie noch effizienter beregnen können. Dann suchen wir Betriebe, die bereit sind, mit uns neue Systeme auszuprobieren.“ Trotz der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen sieht Brunner eine Zukunft für die Vermehrung. „Sonst hätten wir nicht massiv in den Standort Parndorf investiert. Da es im Seewinkel so gut wie keine Tierhaltung gibt und weniger Konsummais in der Fruchtfolge angebaut wird, ist es hier leichter, die notwendigen Abstände zu anderen Maisfeldern einzuhalten.“ Der etwas niedrigere Ertrag in der Region werde durch die Hochwertigkeit der Produktion ausgeglichen.

Ob der Anbau auch langfristig möglich sein wird, liegt auch in den Händen der Landespolitik. Für Christian Sailer ist der Schutz des Wassers vorrangig: „Es ist der begrenzende Faktor für ein wirtschaftliches Florieren in einer Region. Das muss stärker in den Vordergrund von Entscheidungen gerückt werden.“ Welche Pflanzen in Zukunft noch möglich sein werden, sei eine wirtschaftliche Betrachtung aus der Sicht der Landwirte. „Betriebe, die nur auf bewässerungsintensive Kulturen gesetzt haben, werden vermutlich an Grenzen stoßen. Es war aber auch immer klar, dass wir die niederschlagsärmste Region Österreichs sind“, sieht Sailer große Veränderungen und eine Neuausrichtung der Akteure auf den Seewinkel zukommen.

Ein Hoffnungsschimmer am Horizont ist für Gerald Kern der Plan für eine Zuleitung von Wasser aus der Moson-Donau in Ungarn in den Neusiedler See. „Unsere Region ist erst durch die Entwässerung zu Agrarland geworden. Genau diese Gräben könnten wir jetzt nutzen, um wieder Wasser zu verteilen.“ Auch wenn Landeshauptmann Doskozil eine Absichtserklärung mit den Nachbarn unterzeichnet hat, steht das Projekt aus politischen und ökologischen Gründen aber auf tönernen Füßen. Und selbst wenn man morgen zu graben beginnt, dauert es einige Jahre, bis das Nass fließt. Die Bauern brauchen schnellere Entscheidungen, so Kern: „Wir wollen wissen, welche Kulturen wir im nächsten Jahr anbauen können. Die Bestellung des Saatguts und des Düngers ist bereits im Laufen.“ Nähere Informationen dazu soll es Ende September bei einem Runden Tisch mit allen Beteiligten geben.

 

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