Demonstrativ unterschiedlich
Die Stimmung war angespannt – in Berlin, wie auch in Wien. Während die Spitzen der heimischen Agrarpolitik bei der Grünen Woche in Deutschlands Hauptstadt weilten, war daheim eine Demonstration angesagt.
Würde der Funke des Protests vom Nachbarland auf Österreich überspringen? Zumindest die Medien hatten den Aufruf zur „Fahrt nach Wien“ schon im Vorfeld dankbar aufgegriffen. Der Bauernbund sah sich genötigt, in einer Aussendung darauf hinzuweisen, dass die Aufforderung zum Protest von der FPÖ gekommen war. Dies war aus den zunächst in den sozialen Netzwerken kursierende Einladungen nicht hervorgegangen. „Der Bauernbund distanziert sich klar von Wahlkampfspielchen der Freiheitlichen auf Kosten der Bäuerinnen und Bauern“, versuchte man zu kalmieren.
Für die Bauernbündler war es ein argumentativer Ritt auf der Rasierklinge. Wenige Tage zuvor hatte man sich noch solidarisch mit den Protesten des Bauernverbandes in Deutschland erklärt. „Wenn eine hart arbeitende Berufsgruppe nicht die Wertschätzung bekommt, die sie verdient und die Politik nicht die richtigen Rahmenbedingungen setzt, wird sie protestieren“, sagte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig dann auch in Berlin. Und Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger: „Die Bauernproteste lassen niemanden von uns kalt, auch wenn manches in der Heftigkeit abzulehnen ist.“ Auch in Österreich sei die Stimmungslage unter den Bauern herausfordernd, die Schmerzpunkte seien ähnliche wie in Deutschland.
Geworden ist es letztlich ein Sturm im Wasserglas. Statt der 100.000 Traktoren in der Aktionswoche in der Bundesrepublik waren es am Ballhausplatz gezählte 11. Bei der FPÖ gibt man sich aber unverwüstlich. „Für den Start, und da die Demo auch relativ kurzfristig organisiert wurde, kann man durchaus zufrieden sein“, meinte Agrarsprecher Peter Schmiedlechner. Man habe Medien und Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht, dass auch in Österreich in der Landwirtschaft große Probleme vorherrschen. „Ein Nebeneffekt war auch, dass der sonst untätige Landwirtschaftsminister samt seinem Bauernbund plötzlich aus dem Winterschlaf erwacht ist.“ Die Bilder aus Deutschland seien schwer zu toppen, das sei aber auch nie das Ziel gewesen.
Ein wesentlicher Unterschied ist wohl auch, dass es in Deutschland mit der rot-gelb-grünen Ampelregierung ein einigendes Feindbild gibt. In Österreich stellt die ÖVP den Bundeskanzler und den Landwirtschaftsminister. Der Bauernbund wird kaum zu Demonstrationen gegen sich selbst aufrufen. „In Österreich sind die Bäuerinnen und Bauern direkt in der Regierung vertreten“, bekräftigte Norbert Totschnig. In Deutschland werde Dialog gefordert, in Österreich sei er gelebte Realität. „Wir kennen unsere Probleme und setzen auf einen konstruktiven Weg“, ergänzte Bauernbundpräsident Georg Strasser. Auch der Bauernbund habe schon demonstriert, allerdings mit konkreten Zielen. Diese vermisse er bei der FPÖ. „Die Demo war eine Parteiveranstaltung mit Bauern als Feigenblatt.“
Auf die Frage nach den Zielsetzungen der Kundgebung in Wien verweisen die Freiheitlichen auf einen Entschließungsantrag im Nationalrat, in dem sie unter anderem einen Ausstieg aus dem Green Deal, ein Aussetzen der SV-Beiträge und eine Abschaffung der AMA-Beiträge fordern. „Wir haben ein Entlastungspaket ausgearbeitet, dessen Umsetzung schnell angegangen werden sollte“, so Peter Schmiedlechner. Er ließ sich im Rahmen der deutschen Proteste auch mit AfD-Chefin Alice Weidel ablichten und will mit der Rechtsaußen-Partei Allianzen schmieden. „Auf europäischer Ebene wird im Juni gewählt. Die Zusammensetzung des Parlaments wird dann eine andere sein. In mehreren Ländern werden Parteien einziehen, die den Green Deal skeptisch sehen.“
In der Bundesrepublik geht der Widerstand gegen die Agrardiesel-Streichung einstweilen weiter, wie der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied, bei der Grünen Woche bekräftigte: „Wenn sich nichts ändert, war das nur das Vorbeben und es kommt zur Eruption. Die aktuelle Situation sei Ergebnis einer jahrzehntelangen Agrarpolitik. Rukwied nahm dabei neben die drei Ampelparteien auch die CDU/CSU nicht von seiner harten Kritik aus: „Alle vier Parteien haben Regierungsverantwortung gehabt. Auch das Ergebnis von 16 Jahren Unionspolitik stimmt nicht.“ Man werde weiter Nadelstiche setzen, die weh tun. „Die Bereitschaft für weitere Aktionen ist vollumfänglich da.“ Bis in Wien wieder Traktorenkolonnen rollen, wird es vermutlich noch länger dauern.
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