Arche Noah moniert doppelten Angriff auf Saatgut

 

 Heute Mittag hat die EU-Kommission das „Food and Biodiversity Package“ vorgelegt, das die neue „EU-Saatgut-Verordnung“ und einen Gesetzesvorschlag zur Deregulierung der „Neuen Gentechnik“ enthält. „Wir sind bestürzt über diesen Angriff auf unser Saatgut und die Kulturpflanzenvielfalt in Europa“, sagt Magdalena Prieler, politische Referentin für ARCHE NOAH in Brüssel. „Mit diesen Vorschlägen laufen wir Gefahr, dass globale Konzerne die vollständige Kontrolle über unsere Ernährung erlangen. Die Agrar-Minister:innen und das EU-Parlament müssen jetzt umlenken!“

Der vorliegende Saatgutrechts-Vorschlag belastet laut den Expert:innen von ARCHE NOAH die Weitergabe von vielfältigem Saatgut mit überbordenden Regeln – zum Nachteil der Landwirtschaft und der Kulturpflanzenvielfalt. Jegliche Weitergabe von Saatgut außerhalb des privaten Bereichs wird als „Vermarktung“ eingestuft und strengen bürokratischen Vorschriften unterworfen. Sogar die in Österreich bisher frei mögliche Weitergabe von Saatgut für den Erhalt der Vielfalt soll eng beschränkt werden. „Saatgut-Initiativen, Genbanken und bäuerliche Netzwerke in ganz Europa bewahren die genetische Vielfalt der Kulturpflanzen. Diese wertvolle Arbeit darf nicht durch bürokratische und praxisferne Auflagen verhindert werden“, fordert Magdalena Prieler von ARCHE NOAH. 

Auch für Bäuerinnen und Bauern, die ihre Unabhängigkeit von Großkonzernen bewahren wollen, ist heute ein schwarzer Tag. Laut dem vorliegenden Entwurf dürfen sie ihr eigenes Saatgut nur in kleinen Mengen und unter bestimmten Voraussetzungen tauschen. Ein Verkauf ist gar nicht mehr möglich. Auch öffentliche Genbanken, private Sammlungen und Saatgut-Initiativen dürfen ihr Saatgut nicht mehr an Bauern abgeben. „Der Entwurf verweigert Bäuer:innen ihr Recht auf Saatgut! Wichtige Alternativen zum Industrie-Saatgut werden damit zerstört. Unsere Bäuer:innen wollen selbst aussuchen können, welches Saatgut sie kaufen und anbauen, nicht zuletzt um ihre Felder an die Klimakrise anzupassen“, so Prieler.  

ARCHE NOAH fordert, die Verbreitung und die nachhaltige Nutzung der Kulturpflanzen-Vielfalt explizit zu erlauben und sämtliche Regeln, die diese Arbeit behindern, ersatzlos aus dem Saatgutrecht zu streichen. Weiters muss das im Völkerrecht verankerte bäuerliche Recht, eigenes Saatgut zu ernten, zu nutzen, zu tauschen und zu verkaufen, umgesetzt werden. Begrüßt wird dagegen, dass eine Ausnahme von der verpflichtenden Sorten-Zulassung für den Verkauf von Saatgut an Hobby-Gärtner:innen vorgesehen ist. Der private Tausch und Verkauf sollen vollkommen frei bleiben, was jedoch die gravierenden Verschlechterungen in anderen Teilen des Gesetzespaketes nicht aufwiegen würde. 

In der geplanten Deregulierung der Neuen Gentechnik sieht ARCHE NOAH eine weitere Belastung für die – gentechnikfreie – Erhaltungsarbeit. „Unsere Bäuer:innen würden damit mächtigen Agrochemie-Konzerne wie Bayer, BASF, Corteva und Syngenta ausgeliefert, die jetzt schon mehr als die Hälfte des globalen Saatgutmarkts beherrschen. Patente auf Gentech-Pflanzen sorgen für Exklusivrechte auf die Nutzung von bestimmten wichtigen Merkmalen und blockieren die Entwicklung neuer Sorten“, warnt Magdalena Prieler von ARCHE NOAH. „Die Nutzung von überlebenswichtigen Krankheitsresistenzen darf nicht privatisiert werden. Die Neue Gentechnik ist vor allem ein Hebel für Konzerne, ihre Konkurrent:innen aus dem Markt zu drängen und ihre Kontrolle über unsere Landwirtschaft weiter auszubauen.“  

Die heute vorgeschlagene EU-Saatgut-Verordnung soll zehn bestehende Richtlinien ersetzen. Sie regelt die Produktion und das Inverkehrbringen von Saatgut und sonstigem pflanzlichem Vermehrungsmaterial (Erdäpfel, Obstpflanzen etc.). Mit der Neuregelung beabsichtigt die EU-Kommission, das veraltete Saatgutrecht an die Ziele des europäischen „Green Deals“ anzupassen. „Wir brauchen dringend mehr Vielfalt auf unseren Feldern und Tellern, um der Klima- und Biodiversitätskrise entgegenzuwirken und um geschmackvolles, gesundes Essen zu produzieren. Dieser Entwurf leistet das leider nicht“, stellt Prieler fest.  

In den kommenden Tagen werden das EU-Parlament und der Rat der Landwirtschaftsminister ihre Arbeit zu den Gesetzesentwürfen aufnehmen. Ein erster Austausch ist für das Ratstreffen am 25. Juli 2023 geplant. „Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig hat jetzt viel zu tun: Er muss das bäuerliche Recht auf Saatgut einfordern und die Kulturpflanzenvielfalt vor Überregulierung und Patenten schützen! Die Vielfalt ist unsere Versicherung gegen die Herausforderungen von morgen “, fasst Magdalena Prieler zusammen

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Agrarpolitik, Biodiversität, Saatzucht

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