AGÖ am Weg zur Liefergemeinschaft

Die Agrargemeinschaft Österreich, AGÖ, ursprünglich eine Einkaufsgemeinschaft, ist zu einer Stimme der Bauern geworden. STEFAN NIMMERVOLL und ALOIS BURGSTALLER haben mit Gründer JOHANN KONRAD und der Öffentlichkeitsarbeits-Verantwortlichen MARTINA MITTERMAYR gesprochen.

Warum wird aus einer Einkaufsgemeinschaft eine Gruppierung, die als Interessensvertretung aktiv ist?

Konrad: Weil wir schauen müssen, dass die Rahmenbedingungen passen. Du kannst nicht zuschauen, wie andere etwas richten, mit dem Du dann umgehen musst. In dieses Rad müssen wir eingreifen können, damit wir wirtschaftlich wirtschaften können.

Hat es einen speziellen Auslöser gegeben, der Sie dazu gebracht hat, Stellung zu nehmen?

Mittermayr: Das immer mehr an aufindoktrinierten Dingen, die den Bauern das Leben immer schwerer machen. Immer mehr Bürokratie führt irgendwann zu einem Punkt, an dem das Fass übergeht. Wir sprechen das Übel da an, wo es ist, nämlich an der Wurzel. Das trauen sich nicht alle.

Wie politisch ist die AGÖ?

Konrad: Wir haben über 30 Jahre schwarze Bauernbund-Landwirtschaftspolitik hinter uns. Wenn man dort nicht mit uns reden will, müssen wir uns andere Verbündete suchen. Dabei müssen wir schauen, wo es Parteien gibt, die eine Veränderung im System bringen können.

Manche Beobachter sehen Querverbindungen zur FPÖ. Bei wem sehen Sie die besten Anknüpfungspunkte?

Konrad: Wir haben mit allen Parteien das Gespräch gesucht. Das war lieb und schön, manche Parteien werden aber nie eine Chance haben, weil sie das Wissen um die Landwirtschaft und das Potential gar nicht haben, um Veränderungen herbeizuführen. Am ehesten bleiben also die Freiheitlichen über. Das heißt aber nicht, dass wir als Organisation freiheitlich sind.

Mittermayer: Ich möchte nicht sagen, dass der Bauernbund an sich schlecht ist. In der ÖVP gibt es gute Leute, die sich in der Agrarpolitik auskennen. Sie sind aber in Handschellen gefangen und dürfen nicht. Der Klubzwang innerhalb der Partei ist da zu stark.

Wäre es nicht angebracht, dass die AGÖ zum Beispiel bei den Kammerwahlen antritt, um ihre Ideen im demokratischen Prozess durchzusetzen?

Konrad: Wir verstehen uns als überparteiliche bäuerliche NGO. Verschiedene Parteien hätten uns sogar die Möglichkeit gegeben, auf ihren Listen zu kandidieren. Wir haben aber die Zeit nicht dazu. Entweder bin ich ein guter Bauer oder ein guter Politiker.

Sie haben die einzige relevante Demonstration von Bauern in Österreich auf die Beine gestellt. Warum ist der Schwung der Demos nicht in dem Ausmaß auf Österreich übergeschwappt, wie es zum Beispiel in Deutschland war?

Konrad: Weil wir eine andere Mentalität haben. Wir fahren nicht auf die Straße und sperren sie. Ich habe es auch in Deutschland nicht gutgeheißen, was gemacht worden ist. Es hat auch nicht den Erfolg gebracht.

Beim Green Deal wurde aber zurückgeschraubt…

Konrad: Glauben Sie, dass das kommt? Es wird viel versprochen, so wie in Österreich. Wir brauchen aber Fakten.

Ein wesentliches Kommunikationsmittel ist WhatsApp. Wie schwierig ist es, da für Disziplin zu sorgen?

Mittermayr: Es ist sehr schwierig. Aber unsere Administratoren sind bemüht, immer wieder auch Leute zu entfernen, weil man sonst einen Wirbel hineinbekommt. Wir haben immerhin 15.000 Einzelmitglieder in 55 Gruppen.

Besteht die Gefahr, dass man bei einer derartigen Anzahl an Mitgliedern von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen unterwandert wird?

Konrad: Wir wollen keine Rechtsradikalen und keine Leute, die uns nicht zu unserem Ziel bringen. Wenn wir merken, dass jemand dabei ist, der in diese Richtung postet, machen wir ihn darauf aufmerksam, dass er damit aufhören soll. Alles, was zu weit geht, wird herausgelöscht.

Was sagen Sie zur Kritik am gemeinsamen Foto mit Vertretern des Vereins gegen Tierfabriken?

Mittermayr: Wir wollten bei der Aktion in Pöndorf einen Eklat mit dem VGT vermeiden und haben daher das Gespräch gesucht. Dabei ist es auch zu dem Foto gekommen. Das wurde dann vom VGT auf Facebook gestellt, mit der Botschaft „AGÖ und VGT kämpfen gemeinsam!“. Das war ein Fehler und ein gefundenes Fressen für alle, die uns nicht wohlgesonnen sind.

Sie sind mit 360 Milchkühen und 1.000 Rindern Österreichs größter Milchbauer. Wieso fühlen Sie sich trotzdem als glaubhafter Vertreter der Interessen österreichischer Familienbetriebe?

Konrad: Die Größe macht es nicht aus, sondern wie man zu der Sache steht. Ich stehe als Idealist vorne und man weiß mittlerweile, wofür ich eintrete. Und ich habe einiges an Lebenserfahrung, werde heuer 60, bin seit 33 Jahren Bauer und habe einiges aufgebaut. Ich möchte nicht sagen: Bub, übernimm den Hof und wurschtel so dahin. Ich möchte, dass der auch eine wirtschaftliche Zukunft hat. Dafür sind wir verantwortlich.

Welche Rahmenbedingungen gehören verbessert, damit die Kleinen eine Chance haben?

Konrad: Wir haben drei Punkte an Minister Totschnig übergeben: Wir brauchen eine Herkunftskennzeichnung, wir brauchen gleiche Standards wie in Österreich für Ware, die importiert wird und wir brauchen endlich das Geld, von dem der Minister in der Öffentlichkeit redet, auch im Geldtascherl. Da frisst der Apparat viel zu viel auf. Wenn auf jeden Vollerwerbslandwirt 4,7 Systemerhalter im Wasserkopf kommen, passt etwas nicht mehr.

Sie sprechen sich gegen Importe aus. Gerade bei der Milch leben wir aber von der Exportwirtschaft.

Mittermayr: Das ist lange vorbei. Es wird immer von den 170 Prozent bei der Trinkmilch geredet. Wenn wir die gesamte weiße Palette dazunehmen, sind wir nur noch bei 111 Prozent. Und 600 bis 700 Mio. Kilo gehen direkt oder über Liefergemeinschaften unverarbeitet an ausländische Molkereien. Österreichs Milchverarbeiter haben also nachweislich zu wenig Milch, um die Inlandsversorgung abzudecken.

Trotzdem gibt es Exporte.

Konrad: Ja, weil wir zugleich importieren. Nämlich bedeutend schlechtere Qualitäten als wir exportieren. Zum Beispiel zwei Millionen Schweine. Wenn wir diese an unsere Standards anpassen, wird ein Teil wegfallen. Und wir brauchen eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie, wo zum Beispiel 90 Prozent des verarbeiteten Geflügelfleisches nicht aus Österreich stammt.

Sie kritisieren auch die AMA-Marketing.

Konrad: Wenn wir sowohl eine verpflichtende Haltungsform-, als auch eine Herkunftskennzeichnung haben, ist sie ersatzlos zu streichen. Die Wirtschaft verhindert diese aber mit ihrer politischen Macht in der ÖVP.

Mittermayr: Der Bauernbund gibt sogar offen zu, dass er das will, aber sich nicht durchsetzen kann.

Brauchen wir eine Haltungsformkennzeichnung?

Mittermayr: Wenn man eine saubere Lösung will, dann ja.

Das System der AMA-Marketing bringt bei der Milch genau eine solche Kennzeichnung der Haltungsstufen.

Mittermayr: Die Vorgehensweise, wie den Landwirten das Tierwohl plus verkauft worden ist, ist überhaupt nicht richtig. Man kann nicht Anfang Jänner mit dem Milchwagenfahrer eine Information kriegen, dass man das bis Ende Jänner zu unterschreiben hat. Und wenn nicht, gibt es Sanktionen, wie sie die Molkereien momentan androhen. Das stößt sehr vielen sauer auf.

Hat die AGÖ Schuld, dass viele Landwirte nicht unterschrieben haben?

Mittermayr: Nein. Unsere Info war nicht, nicht zu unterschreiben. Wir haben nur den Rat gegeben, vorsorglich mit der Unterschrift zu warten, bis alles abgeklärt ist. Unterschreiben kann man noch immer.

Welche Perspektive sehen Sie für „Standardmilch“, die das Tierwohl plus nicht erfüllt? Wo wird man die vermarkten können?

Mittermayr: Überall. Alle Molkereien kaufen am Spotmarkt Milch zu. Das wird sich mit der Tierwohl plus-Milch alleine nicht ausgehen.

Konrad: Alleine Jäger braucht beim Vollausbau des Standortes Gmunden 200 Mio. Liter zusätzliche Milch. Den interessiert Tierwohl plus überhaupt nicht.

Mittermayr:  Wenn man anschaut, wie die Weltpopulation wächst, bracht mir niemand vorbeten, dass wir zu viel Milch haben. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass die AGÖ den Weg, den wir im Einkauf gehen, auch im Verkauf einschlägt.

Also eine Liefergemeinschaft?

Konrad: Genau. Es ist aber die Angst der Molkereien, dass die Bauern selber stark werden. Die Genossenschaften fürchten sich, dass sie die Oberhand über den Milchmarkt verlieren.

Das hat auch die IG Milch probiert und ist letztlich daran gescheitert.

Konrad: Weil es die Politik nicht wollte.

Der wäre die AGÖ aber genauso ausgesetzt.

Konrad: Der Unterschied wird sein, dass wir die Milch nicht selbst in die Hand nehmen. Wir werden den Rohstoff bündeln und den patriotischen, österreichischen Konsumenten mit Milch beliefern. Dafür wollen wir aber einen ordentlichen Preis haben. Und wir sind stark genug aufgestellt, dass wir der Politik die Stirn bieten können.

Wie konkret sind solche Pläne?

Mittermayr: Wir haben schon Abfragen gemacht, wer dabei wäre und wie viel Milch wir hätten.

Sie haben einmal gesagt, dass sie über bis zu einem Viertel der österreichischen Milch verfügen. Wie ist das gerechnet?

Konrad: Das ist die Menge der Interessenten, da mitzumachen. Auf Basis unserer Umfrage kommen wir auf mindestens 800 Mio. Kilo. Diese Menge werden wir bündeln und selber darüber verfügen.

Gibt es dazu eine ungefähre Idee?

Konrad: Wir bringen A und B zusammen und werden nicht als Händler auftreten. Wenn eine Molkerei sagt, sie braucht 100 Mio. Liter Milch, werden wir die aufstellen.

Dazu braucht man ein gutes Einvernehmen mit den Molkereien. Die sind aber größtenteils in der Hand von Raiffeisen-Genossenschaften, die sie ja vehement bekämpfen.

Konrad: Es gibt Molkereien, mit denen wir gut zusammenarbeiten und offene Gespräche führen. Es braucht aber Veränderungen. Das Genossenschaftssystem gehört reformiert.

Wohin soll sich die AGÖ noch entwickeln?

Mittermayr: Wir haben momentan unseren Schwerpunkt in Oberösterreich, erweitern uns aber bereits in andere Bundesländer. Wir denken an, Informationsveranstaltungen in allen Bundesländern zu machen. Wenn wir unsere Botschaften dort kundtun, wird man uns auch dort kennenlernen.

Konrad: Die AGÖ wird groß sein. Sie wird die NGO der Bauern sein, die die Politik nicht mehr zähmen kann.

Mittermayr: Das ist schon heute so. Es war lange die Taktik, uns zu ignorieren. Jetzt reden fast alle Fraktionen mit uns, außer der ÖVP. Sie hat sich einmal mit uns getroffen, seitdem hat sie abgeschottet. Der Bauernbund versteckt sich vor den eigenen Bauern.

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