„Schau ma mal“ reicht nicht
Die Digitalisierung wird das Berufsbild der Milchbauern neu definieren, ist der Geschäftsführer von Lely Center Enns, ANDREAS FEICHTLBAUER, überzeugt. Die Bauern werden Zeit gewinnen, um neue Schwerpunkte auf ihren Höfen zu setzen.
Das vergangene Jahr war für uns alle sehr herausfordernd. Wie ist es Lely mit Corona gegangen?
Feichtlbauer: Unsere Mitarbeiter sind hauptsächlich allein auf den Betrieben unterwegs. Dabei haben wir uns selbstverständlich an alle Vergaben gehalten. Insofern haben wir wenig Probleme gehabt.
Und auf den Märkten. Wie haben Sie das erlebt?
Die Landwirtschaft wird komplexer. Viele probieren Direktvermarktung oder Diversifizieren sich anderweitig. Manche hören auch wieder auf, weil sie erkennen, dass es ganz schön viel Arbeit ist und man sich zwar aus einer Spirale befreit, aber in eine andere hineinkommt. Wer das ambitioniert angeht und durchhält, kann damit Geld verdienen und wachsen.
Die Preise für Milch waren zuletzt ja gar nicht schlecht.
Milch ist und wird nachgefragt. Allerdings fressen die Produktionskosten und die Einkaufspreise die Margen. Ergeht uns als Unternehmen nicht anders.
Wie soll man als Bauer auf die gestiegenen Vorkosten reagieren?
Es braucht wieder mehr Einkommensdiversifikation. Alles auf eine Karte setzen und entsprechende Spezialisierung war Langezeit die Empfehlung. Aber irgendwann ist die Kostenseite nicht mehr zu optimieren, das Einkommen ist in vielen Fällen noch weniger. Aber zuerst einmal seine eigenen Zahlen kennen, ist entscheidend. Damit setzen sich sicher viele mehr auseinander.
Inwiefern kann moderne Technologie helfen Kosten zu sparen?
In erster Linie geht es weniger darum, damit direkt Ausgaben zu sparen. Wichtiger ist die Flexibilität, die die Automatisierung schafft. Fehlende Arbeitskräfte und Arbeitszeit wird die kritische Komponente in Zukunft auf den Höfen sein. Schließlich muss die Landwirtschaft in Zukunft eine zunehmende Anzahl an Bevölkerung mit weniger Ressourcen ernähren. Ein Roboter ermöglicht es, effektiver mit der Arbeitszeit des Bauern umzugehen. 3, 4 oder 5 Stunden melken pro Tag wird vielleicht nicht das große Problem sein, wenn nicht gerade Arbeitsspitzen sind. Ob man mit dieser Arbeitszeit nicht andere Dinge machen könnte, die wirklich nicht automatisierbar sind, muss jeder für sich bewerten.
Die Investitionsbereitschaft der Bauern ist hoch, auch wegen der staatlichen Hilfen bei Corona.
Damit werden Investitionen angestoßen und mit einem Zuckerl versehen. Die Nachfrage ist da, wir verkaufen gut. Es ist aber jedem klar, dass er/sie den wesentlichen Anteil davon selber erwirtschaften, finanzieren und zurückzahlen muss und deswegen müssen auch Preise steigen. Es muss also jeder ganz genau planen und rechnen, wie sich das in den nächsten Jahren auf seinem Hof auswirkt.
Kommt Lely mit der Installation neuer Roboter überhaupt noch nach?
Ja. Wir installieren derzeit pro zwei Montagemitarbeiter 50 Melkroboter pro Jahr. Die Montagekapazität ist nicht unbedingt die große Engstelle. Eine Herausforderung ist aber die weltweite Liefersituation, vor allem wegen Komponenten wie den ComputerChips.
Vor einigen Jahren waren automatische Melksysteme in Österreich noch die Ausnahme. Setzt sich der Roboter gerade als Standard durch?
Wie oben bereits gesagt, werden die fehlenden Arbeitskräfte in Zukunft der Flaschenhals sein. Bei vielen Investitionen ist ein mittlerer bis hoher Automatisierungsgrad mittlerweile Standard. Wir dürfen aber nicht nur über Melkroboter reden. Auf den Betrieben arbeiten immer mehr Fütterungs- und vor allem Entmistungsroboter.
Welche Technologien werden in Österreich in Zukunft Standard sein?
Es werden die Betriebe und Betriebsleiter viel mehr mit Daten auf Einzeltierbasis arbeiten. Betriebsdaten und deren Vernetzung über die einzelnen Betriebe hinweg ergeben den Mehrwert. Die Milch- und Melkdaten, Gesundheitsdaten und Umgebungsdaten des einzelnen Tieres werden an Bedeutung gewinnen und den Erfolg in der richtigen Entscheidung ausmachen. Was bis dato aber komplett fehlt ist die gesamtheitliche Sichtweise auf Möglichkeiten von Technologien in unserer gesamten Lebensmittelbranche.
Müssen wir mit der Digitalisierung der Landwirtschaft das Berufsbild des Milchbauern neu definieren?
Absolut. Wiederkehrende, oft schwere manuelle Arbeiten werden weniger oder können automatisiert werden. Auch das standardisierte Melken in der Früh und am Abend. Das ist so ähnlich, wie bei vielen anderen Berufen: Man muss nicht mehr um Sieben in der Firma sein und einstempelt um Fünf wieder aus. Manch einer arbeitet zeitig am Morgen, kümmert sich dann um seine Kinder und dreht am Abend seinen Computer auf oder macht seine Büroarbeit. Die Bauern werden sich in der gewonnenen Zeit aber nicht aufs Sofa legen, sondern neue Dinge entwickeln und ihre Betriebskonzepte erweitern. Auf der anderen Seite wirbt der LEH gerne mit dem bärtigen Bauern, der seine 12 Kühe mit der Hand melkt oder dem sprechenden Schweinchen. Schon sehr irreführend.
Ersetzen Sensoren das Bauchgefühl des Bauern?
„Ungefähr“ und „wird schon passen“ wird Geschichte. Man kann mit „schau ma mal“ keine Firma führen. Ein Bauernhof ist da nicht anders.
Was muss passieren, damit die Bauern nicht immer die letzten in der Kette bleiben, die das bekommen, was noch übrigbleibt?
Wir müssen aktiv vermarkten und ein positives Bild des Sektors aufbauen und den Kampf gegen Substitute aufnehmen. Oft wird viel gejammert, zurecht. Aber als Unternehmen sind wir auch nicht deshalb erfolgreich, weil wir von Hof zu Hof fahren und sagen, kauft uns bitte einen Roboter ab. Wir zeigen, was wir und unsere Geräte können und wo wir gut sind. Jeder Bauer aber auch die gesamte Branche ist aufgefordert zu überlegen, was er für das Image seines Betriebes, des Sektors und der Milch tun kann. Sie einfach abholen lassen und dann nicht mehr darüber nachzudenken, ist zu wenig,
Hat Österreichs Milchwirtschaft eine Chance gegen Großbetriebe mit mehreren hundert Kühen?
Größe hat gar nichts mit Erfolg zu tun. Wenn die Märkte schlecht laufen, brechen als erstes die großen Milchviehbetriebe im Ausland, die viel Geld fürs Personal brauchen, weg. Wir haben eine große Diversität, die uns stark macht. Die Milch gehört zu Österreich dazu. Ohne Kühe gibt es die gewohnte Landschaft und damit auch den Tourismus nicht. Damit ist die Zukunft der Milchwirtschaft gesichert. Wenngleich es das Zusammenspiel aller in der Branche braucht, um erfolgreich zu sein.
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